Bundespräsident Ueli Maurer hat Zweifel an einer raschen Einigung auf ein neues Rahmenabkommen mit der EU geäussert. Er warnte am Freitag in Wien vor einem «Wirtschaftskrieg» mit Brüssel.

Bei seinem Antrittsbesuch in Österreich verwies Maurer an einer Medienkonferenz in Wien darauf, dass in diesem Jahr sowohl in der EU als auch in der Schweiz gewählt wird; er bat Brüssel noch um etwas Geduld. Maurer ist am Freitag gemeinsam mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Van der Bellen vor die Medien getreten.

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Auf die Frage, ob man die Einigung mit Brüssel nicht sowieso auf 2020 verschieben sollte, sagte Maurer: «Wahrscheinlich ergibt sich das fast aus den Abläufen, die gegeben sind.» Schliesslich finde in der Schweiz noch bis zur Jahresmitte eine Konsultation über den Vertragsentwurf statt.

Geduld von Brüssel strapaziert

«Wenn man die Geduld hat, das auch nach den Wahlen mit neuen Leuten anzuschauen, wäre das vielleicht keine schlechte Lösung. Nach unserem Verständnis entsteht unter Druck nie etwas Gutes, weil wir eben länger brauchen», sagte Maurer mit Blick auf das Ultimatum der EU-Kommission. Er bat diesbezüglich um Verständnis für das Schweizer Entscheidungssystem, das er mit dem Bild von wiederkäuenden Kühen veranschaulichte - und er räumte ein: «Wir haben die Geduld von Brüssel sehr strapaziert.»

Die EU-Kommission hat der Schweiz Mitte Dezember ein Ultimatum bis Mitte 2019 gestellt und Nachverhandlungen über den Entwurf des Rahmenabkommens ausgeschlossen. Wenn der Entwurf als «Take-it-or-leave-it»-Deal angesehen werde, sei die Gefahr gross, dass in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU «Geschirr zerschlagen» werde, mahnte Maurer.

Die mit dem EU-Ultimatum verbundene Drohung der EU, der Schweizer Börse die Anerkennung als gleichwertig zu verweigern, wies der Finanzminister scharf zurück. Sollte die Börse nicht als gleichwertig anerkannt werden, bestehe die Gefahr eines Wirtschaftskrieges. «Wir sollten versuchen, nicht in eine solche Sackgassen zu geraten.»

Wien zeigt Verständnis für Bern

Der österreichische Bundespräsident Van der Bellen bekräftigte die Unterstützung seines Landes für das Abkommen und äusserte zugleich Verständnis für Bern. «Ich plädiere dafür, ein bisschen Geduld zu haben.» Van der Bellen erwartet, dass man «Anfang 2020» wieder über das Thema reden werde. Schliesslich sei es «nicht wie der Brexit», wo man ohne Lösung vor dem Nichts stehe.

Obwohl der österreichische Präsident auf Anfrage die Entscheidung der Schweiz, kein EU-Mitglied zu werden, bedauerte, verwies er auf viele ähnliche Ansichten beider Länder, etwa auch in der Klimapolitik.

Maurer sagte, dass ein Land wie die Schweiz, in dem drei Jahre lang über Fragen wie die Enthornung von Kühen diskutiert werde, keinen Platz im EU-Entscheidungssystem habe. «Wir würden nie in die EU passen», schloss der 68-Jährige einen EU-Beitritt der Schweiz zumindest zu seinen Lebzeiten aus. «Ich werde es nicht erleben.»

Maurer und Van der Bellen lobten nach ihrem Treffen am Freitag die Tradition, wonach Spitzenpolitiker beider Länder ihren ersten Auslandsbesuch jeweils in dem Nachbarland absolvieren. Van der Bellen hob hervor, dass die Schweiz mit 65'000 Österreichern die zweitgrösste Gemeinde an Auslandsösterreichern beherberge und gleichzeitig für fünf Millionen Logiernächte in Österreichs Tourismus stehe.

«Wichtiger Kern für Europa»

Maurer seinerseits zeigte sich begeistert von der österreichischen Herzlichkeit und strich die gemeinsame Zugehörigkeit zum Alpenraum hervor. «In diesem Alpenraum ist die wirtschaftliche Kraft Europas entstanden», er sei auch heute «ein wichtiger Kern für Europa», so Maurer. Damit wies er zugleich indirekt den Vorwurf an die Schweiz zurück, wonach das Land isolationistisch sei: «Wir sind eines der europäischsten Länder», sagte er.

Van der Bellen hatte Maurer am späten Vormittag am Inneren Burghof in Wien mit militärischen Ehren empfangen. Am Mittag traf Maurer mit dem österreichischen Finanzminister und ÖVP-Politiker Hartwig Löger zusammen. Am Nachmittag fanden Gespräche mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) statt.

(sda/mlo)