Trotz ihrer traditionellen Neutralität schliesst sich die Schweiz den Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegen Russland an. Als Reaktion auf den Einmarsch in die Ukraine führe das Land mit sofortiger Wirkung Finanz- und Gütersanktionen gegen Russland ein, teilte die Regierung in Bern am Montag mit. Die Vermögen von gelisteten Personen und Unternehmen würden gesperrt.

Zudem träten Finanzsanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, Ministerpräsident Michail Mischustin und Außenminister Sergej Lawrow in Kraft. Damit reagiere die Schweiz auf die schwerwiegenden Verstösse gegen das Völkerrecht, für die diese Personen verantwortlich seien.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Ausserordentliche Massnahmen in ausserordentlicher Lage

«Das ist die grösste gewalttätige Verletzung des Völkerrechts seit dem Zweiten Weltkrieg», erklärte der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis. Auf so ein Ereignis sei niemand vorbereitet gewesen. Angesichts der ausserordentlichen Lage habe die Schweiz ausserordentliche Massnahmen ergriffen. «Selbstverständlich stehen wir auf der Seite der westlichen Werte. Wir bekennen uns zum Rechtsstaat, zur Demokratie, zu den Menschenrechten. Und zu dieser Gemeinschaft stehen wir.»

Die Neutralität ist seit über 200 Jahren der wichtigste Grundsatz der Schweizer Aussenpolitik. Diese Position hat dazu beigetragen, dass das Land von Kriegen verschont wurde und wirtschaftlich prosperierte. Wiederholt verteidigte die Regierung diese Haltung auch damit, nur so als Vermittlerin zwischen Konfliktparteien agieren zu können.

Angesichts des Angriffs Russlands brach das Land nun aber mit der Vergangenheit, auch aufgrund des Drucks aus dem Ausland. Die Schweiz sei gut beraten, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen, erklärte der EU-Abgeordnete Markus Ferber vor dem Entscheid der Schweizer Regierung. «Sonst wird die Schweiz ihr Image als Zufluchtsort für Bösewichte nie los.»

Nach dem Entscheid erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, er sei sehr froh, dass sich die Schweiz den Sanktionen gegen Russland angeschlossen habe. Der Transfer von Geld in die Schweiz werde russischen Oligarchen jetzt nicht helfen. Das sei eine wirklich gute Nachricht.

Rohstoffhandel nicht eingeschränkt

Nicht eingeschränkt werde dagegen der Rohstoffhandel, weil die EU bisher ebenfalls keine Sanktionen ergriffen habe, erklärte er weiter. «Der Rohstoffhandel ist intakt.» Städte wie Genf und Zug gehören weltweit zu den wichtigsten Drehscheiben für den Handel mit russischen Rohstoffen.

Im Einklang mit den Massnahmen in anderen europäischen Ländern habe die Schweiz den eigenen Luftraum ab 15 Uhr für alle Flüge aus Russland und für alle Flugbewegungen von Luftfahrzeugen mit russischen Kennzeichen gesperrt.

Das seit 2014 bestehende Einfuhr-, Ausfuhr- und Investitionsverbot betreffend Krim und Sewastopol sei erweitert worden auf die ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk, die nicht mehr unter Kontrolle der ukrainischen Regierung seien, erläuterte Maurer.

Einreisesperren gegen Putin und seine Entourage

Der Bundesrat hat ausserdem Einreisesperren gegen russische Oligarchen und den russischen Präsidenten Wladimir Putin nahe stehende Personen verhängt. Betroffen seien fünf Personen, die ab sofort nicht mehr in die Schweiz einreisen dürfen, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Montag vor den Medien in Bern.

 

Auflistung Seco, Sanktionen gegen Putin und Lawrov.

Schwarz auf weiss: Vladimir Putin und Sergey Lavrov sind «gelistet».

Quelle: seco.admin.ch

Die Betroffenen hätten starke wirtschaftliche Verbindungen in die Schweiz – vor allem im Finanz- und Rohstoffhandel, ohne hier aber über einen Aufenthaltsstatus zu verfügen. Namen nannte sie aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht.

Der Bundesrat stütze sich bei dem Entscheid direkt auf die Bundesverfassung, die ihm die Kompetenz gebe, solche Massnahmen zur Wahrung der Äusseren Sicherheit und der Interessen des Landes zu ergreifen. Bisher habe der Bundesrat nur selten darauf zurückgegriffen, er sei aber überzeugt, dass im vorliegenden Fall die Aggression gegen die Ukraine die Einreisesperren rechtfertige und notwendig mache.

Der Bundesrat hat zudem entschieden, das Abkommen von 2009 über die Visa-Erleichterung für Russinnen und Russen teilweise zu suspendieren.

Ausserdem werde sich die Schweiz an der humanitären Hilfe und bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme beteiligen, sagte Keller-Sutter. «Wir wollen grosszügig und unkompliziert sein», sagte die Justizministerin im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Eine Möglichkeit wäre der Status «S» für Ukrainerinnen und Ukrainer.

Schärfste Sanktionen massgebend

Den Einfluss des russischen Finanzplatzes auf den Finanzplatz Schweiz bezeichnete Maurer als eher gering. Die massgebenden Akteure im Finanzbereich hielten sich zudem automatisch an die international schärfsten Sanktionen und orientierten sich nicht primär an der Schweizer Verordnung.

Zudem pflegten die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die russische Nationalbank keine direkten Geschäftsbeziehungen. Die Vermögenswerte der russischen Nationalbank in der Schweiz betragen demnach weniger als zwei Prozent.

Der Bundesrat informierte am Montag um 14.30 Uhr in Bern über seine ausserordentliche Sitzung zum Einmarsch Russlands in die Ukraine. Gleich vier Mitglieder der Landesregierung äusserten sich zur Lage.. Vor die Medien traten Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis, Justizministerin Karin Keller-Sutter, Verteidigungsministerin Viola Amherd und Finanzminister Ueli Maurer.

«Angesichts der fortschreitenden Militärintervention Russlands in der Ukraine hat der Bundesrat am 28. Februar 2022 beschlossen, die Sanktionspakete der EU vom 23. und 25. Februar zu übernehmen. Die Vermögen der gelisteten Personen und Unternehmen sind ab sofort gesperrt; auch die Finanzsanktionen gegen den russischen Präsidenten Vladimir Putin, Premierminister Mikhail Mishustin und Aussenminister Sergey Lavrov werden mit sofortiger Wirkung vollzogen. Die Schweiz bekräftigt ihre Solidarität mit der Ukraine und ihrer Bevölkerung; sie liefert Hilfsgüter für die nach Polen geflüchteten Menschen», schreibt der Bundesrat in einer Medienmitteilung.

(red/sda/reuters/sas)