In China wächst trotz sinkender Fallzahlen die Sorge vor Corona-Infektionen nach den Lockerungen der strikten Null-Covid-Politik der Regierung. Vor den Fieberkliniken des Landes standen die Menschen am Montag Schlange, um sich testen zu lassen. In der Hauptstadt Peking kauerten etwa 80 Menschen in der Kälte vor einer Fieberklinik im noblen Stadtteil Chaoyang, während Krankenwagen vorbeifuhren.
Ähnliche Warteschlangen bildeten sich vor Kliniken im Handelszentrum Wuhan, wo das Virus erstmals vor drei Jahren entdeckt wurde. «Im Grunde eilen jetzt alle gleichzeitig zum Kauf von Antigen-Schnelltests, haben aber auch ein wenig die Hoffnung aufgegeben, dass Covid eingedämmt werden kann», sagte eine Mitarbeiterin eines Spielzeugherstellers in der südlichen Produktionsmetropole Guangzhou.
Infizierte dürfen sich zu Hause isolieren
China hatte in der vergangenen Woche unter dem Druck regierungskritischer Proteste und einer schwächelnden Wirtschaft die bislang umfassendste Abkehr von seiner Corona-Politik verkündet. Infizierte mit mildem Verlauf dürfen sich nun auch zu Hause isolieren. Tests vor vielen Aktivitäten wurden abgeschafft und die Deaktivierung einer App vorbereitet, mit der bislang die Reiseverläufe der 1,4 Milliarden Menschen in dem Land aufgezeichnet wurden.
Die Zahl der Hochrisikogebiete sank am Montag auf rund 4500 von mehr als 30'000 am 7. Dezember, als der Kurswechsel angekündigt wurde. Bislang waren nach positiven Corona-Tests ganze Orte und Stadtteile abgesperrt worden, so dass es vermehrt zu Arbeits- und Produktionsausfällen kam.
Die wirtschaftlichen Folgen der Null-Covid-Politik
Die chinesische Regierung hatte sich mit ihrer Pandemie-Strategie in eine Zwickmühle manövriert. Der Bevölkerung wurde es Ende November zu bunt, sie begehrte auf. Die Analyse zur damaligen Situation Chinas finden Sie hier.
Die Behörden raten weiterhin zum Tragen von Masken und zu Impfungen, insbesondere für ältere Menschen. Da die Volksrepublik aber aufgrund der strengen Massnahmen bislang kaum mit dem Virus in Berührung kam, ist China nach Einschätzung von Analysten schlecht auf eine Infektionswelle vorbereitet, die das fragile Gesundheitssystem unter Druck setzen und die Wirtschaft zum Erliegen bringen könnte. Die Zahl der lokalen Fälle ist in den vergangenen Tagen seit einem Höchststand Ende November zwar zurückgegangen.
Experten zufolge sind die rückläufigen Zahlen aber dem Wegfall der Testanforderungen geschuldet. Laut einem Arzt, der in der Atemwegsabteilung einer Pekinger Klinik arbeitet und von der staatlich unterstützten Zeitung «Global Times» zitiert wurde, nimmt die Zahl der Patienten zu, die auf eine Aufnahme in Notfall- und Fieberkliniken wartet. Der Leiter eines Expertenteams in Shanghai erklärte, dass der gegenwärtige Ausbruch in einem Monat seinen Höhepunkt erreichen könnte.
Aktienmärkte und Währung sind eingebrochen
Die chinesischen Aktienmärkte gaben zu Wochenbeginn auf breiter Front nach, und auch der Yuan fiel von seinem gerade erst erreichten Dreimonatshoch zurück. Anleger fürchteten, dass zunehmende Infektionen den Konsum und die Produktion beeinträchtigen könnten. Allein die Nachfrage nach Aktien chinesischer Arzneimittelhersteller, Anbieter von Masken und Anitgentests zog an.
«Bitte schützen Sie sich», warnte die Leitung einer Wohnanlage im Pekinger Stadtbezirk Dongcheng die Bewohner und erklärte, fast alle ihrer Mitarbeiter seien infiziert. «Versuchen Sie, so wenig wie möglich auszugehen», hiess es im Onlinedienst WeChat. «Seien Sie die erste Person, die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit übernimmt, lassen Sie uns das gemeinsam angehen.»
(Reuters/mth)
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