In China heben nach den regierungskritischen Protesten am vergangenen Wochenende weitere Grossstädte Corona-Regeln auf. In Urumqi - Ausgangsort der Proteste - dürften Einkaufszentren, Märkte und Restaurants am Montag wieder öffnen, teilten die örtlichen Behörden am Sonntag mit. Auch in Nanning, Hauptstadt der Provinz Guangxi im Süden des Landes, darf die U-Bahn wieder ohne Vorlage eines negativen Tests genutzt werden. Diese Bestimmung war zuvor schon in anderen Städten, darunter Peking, aufgehoben worden.
In der Hauptstadt dürfen zudem Medikamente gegen Fieber, Husten und Halsschmerzen wieder ohne namentliche Registrierung gekauft werden. Vielerorts wurden Teststationen geschlossen. Zum Betreten von Büros und öffentlicher Gebäude bedarf es aber nach wie vor eines negativen Corona-Tests. An den wenigen verbliebenen Teststationen bildeten sich daher weiter lange Schlangen.
Zweifel an grundlegender Abkehr von Null-Covid
Die Zahl der Neuinfektionen in China ging am Sonntag weiter zurück, was aber auch auf die geringere Zahl an Tests zurückzuführen sein könnte. Die Behörden meldeten 31'824 neue Fälle nach 32'827 am Samstag. Die höchste Zahl an Neuinfektion binnen Jahresfrist seit Ausbruch der Pandemie lag erst von einigen Tagen bei über 40'000. Zwei weitere Menschen starben in Zusammenhang mit dem Virus. Damit stieg die offizielle Todeszahl seit Ausbruch der Pandemie auf 5235.
Trotz der Lockerungen gehen Experten davon aus, dass mit einer grundlegenden Abkehr von Chinas Null-Covid-Politik nicht vor März zu rechnen ist. Vielmehr bemühe sich die chinesische Führung derzeit darum, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Politik zu minimieren, hiess es beispielsweise in einer Analyse der Bank Goldman Sachs.
Strenge Lockdowns bremsten Wirtschaft aus
Am vergangenen Wochenende hatte es in vielen Städten Chinas Proteste gegen die strenge Auslegung der Null-Covid-Politik von Präsident Xi Jinping gegeben. Diese stützt sich insbesondere auf vergleichsweise lange, strenge Lockdowns. Das bremst die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt allerdings aus, das für dieses Jahr erwartete Wachstum dürfte eines der schwächsten seit fast einem halben Jahrhundert sein.
Die Menschen sind immer weniger willens, sich den Massnahmen zu beugen. Die jüngste Welle des zivilen Ungehorsams war beispiellos. Ihren Ausgangspunkt hatte sie in Urumqi, Hauptstadt der westchinesischen Region Xinjiang. Dort wurde einer der längsten Lockdowns verhängt: Viele der vier Millionen Einwohner durften ihre Wohnungen bis zu 100 Tage nicht verlassen.
Nachdem bei einem Feuer in einem Hochhaus zehn Menschen ums Leben gekommen waren, protestierten die Menschen gegen die strengen Corona-Regeln. In sozialen Netzwerken verbreitete sich die Ansicht, dass das Gebäude teilweise verschlossen war und es viele Bewohner deshalb nicht rechtzeitig herausgeschafft hatten.
Polizei patrouilliert an Protest-Hotspots
An diesem Wochenende gab es keine Anzeichen für weitere grosse Proteste. Allerdings waren beispielsweise in Peking oder Shanghai die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden. Die Polizei patrouillierte verstärkt in Gegenden, in denen demonstriert worden war.
Im Zuge der Proteste hatte die chinesische Regierung angekündigt, das Tempo bei den Corona-Impfungen zu erhöhen. Insbesondere die über 80-Jährigen sollen immunisiert werden. In chinesischen Staatsmedien wurde am Sonntag dafür geworben. Viele hätten Zweifel an der Sicherheit und Effektivität der chinesischen Impfstoffe, hiess es in einem Leitartikel der «People's Daily», der Zeitung der Kommunistischen Partei Chinas. «Experten zufolge ist diese Ansicht falsch.» Die in China entwickelten Vakzine seien sicher.
In China sind keine ausländischen Impfstoffe zugelassen. Nach Einschätzung der USA wird China daran festhalten. Präsident Xi sei nicht willens, Impfstoffe aus dem Ausland zu akzeptieren, sagte die Leiterin der Nationalen Geheimdienste, Avril Haines, am Samstag.
(reuters/gku)