Und Sie: Wie leben Sie so unterm Damoklesschwert? In den letzten Tagen waren gut 25’000 Personen in Quarantäne, weil jemand in ihrem Umfeld positiv auf das neue Coronavirus getestet wurde – oder weil sie aus einer Gegend zurückkehrten, in der es viele Infektionen gab. Jedem kann es passieren, dass er plötzlich in seine vier Wände gesperrt wird, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Oder dass das Kind zuhause bleiben muss, weil ein Lehrer angesteckt sei. Und jede Auslandsreise wird zum Abenteuer, weil nette Nachbarländer im Nu zu Risikozonen verkommen.
 
Verblüffend erscheint da, wie wenig dieser Zustand ein wirtschaftspolitisches Thema ist – noch.

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Die Unberechenbarkeit lähmt ja nicht nur ein paar Branchen wie Touristik und Logistik, sondern sie trifft alle. Die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli erinnerte jüngst daran, dass das Gewerbe nicht einfach Arbeitsschritte ins Home Office verlagern kann: Quarantäne bedeutet da Erwerbsausfall. Und dass es Kleinstbetriebe schwer trifft, wenn nur schon eine Person fehlt. 

Bruchstelle Frankreich

Während also alles über die Wirkung von Grossveranstaltungen, Wegwerfmasken und einer App rätselt, droht hier die brisanteste Bruchstelle im Covid19-Programm. Je grösser die Anzahl Menschen, Familien und Firmen, deren Pläne wegen eines Quarantäneverdikts zusammenbrachen, desto weniger werden sich ein zweites oder gar drittes Mal brav melden.

Wie provisorisch das ganze Konzept ist, illustriert auch die Zwickmühle, in welche die Westschweiz gerät, weil bald alle Frankreich-Reisen in der Quarantäne enden müssten.
 
All das zeigt, woran es grundsätzlich mangelt: an einer Strategie. An einer Planung, die weit vorausblickt, ein Ziel festmacht, Wege dahin sucht und Varianten einplant für den Fall, dass der Gegner unerwartet reagiert. Politik, Medien, aber auch ein Gremium wie die Begleit-Task-Force diskutieren Covid19 primär auf der taktischen Ebene – und orientieren sich im Übrigen an einem einzigen, ziemlich fernen Fixpunkt: die Impfung. Die dann, so Gott will, irgendeinmal 2021 kommt.

«In einer früheren Phase – etwa zu Zeiten von Epidemie-Manager Daniel Koch – orientierte sich der Bund noch an wenigen, präzisen Vorsätzen. Es ist erstaunlich, dass wir das aus den Augen verloren haben.»

Doch der jetzige Wackel- und Wurstel-Zustand verlangt von den Impfstoff-Forschern ein Tempo, das sie nicht seriös erfüllen können. «Ich würde das Warten auf ein Vakzin nicht mit dem Begriff Strategie adeln», warf einer von Boris Johnsons Krisen-Beratern, der Infektiologe Mark Woohlhouse, soeben ein: «Das ist eine Hoffnung, keine Strategie».

Wer es aber so betrachtet, landet sofort vor der alles entscheidenden Frage: Was ist, wenn es nicht klappt mit der Impfung? Dann waren die Lockdown-, Quarantäne- und Maskenttänze wenig wert.

Es sei denn, wir führen sie fort. Und das hiesse konsequent durchgedacht: Wir feiern nie mehr Luzerner Fasnacht oder Zibelemärit. Wir nutzen Hallenstadion und Stade de Suisse um, da zum jetzigen Zweck kaum noch tragbar. Wir lösen Chöre und Orchester auf, und die Toten Hosen gibts nur noch mit Maske. Verrückte Vorstellungen.

Wozu Stade de Suisse und Basler Fasnacht?

Vereinzelt outen sich tatsächlich Leute, die mit solch schwarzen Utopien liebäugeln: Sie reden von «neuer Normalität». Doch aus weltfremden Szenarien kann man keine Politik gestalten. Strategisches Denken hiesse also, jetzt schon ernsthafte und verfolgbare Alternativen zu entwickeln.

Und tatsächlich orientierte sich der Bund in einer früheren Phase – etwa zu Zeiten von Epidemie-Manager Daniel Koch – noch an wenigen, präzise anstrebbaren Vorsätzen: Zeit gewinnen. Schutz der vulnerablen Gruppen. Und dann, auf einer zweiten Stufe: Das Gesundheitssystem darf nicht überlastet werden.

Dieses Ziel ist prägnant, klar, und wie der Stand der Covid-19-Forschung im August 2020 vermuten lässt, wäre es durch zielgerichtetes Management des Gesundheitswesens und seines Potentials durchaus erfüllbar, sogar auf lange Sicht. Schade nur, dass wir es weitgehend aus den Augen verloren haben. Zumindest in der lautstarken öffentlichen Debatte.