Der Bruch der Ampelkoalition zeichnete sich über Monate, nein Jahre ab. Da fanden Ende 2021 drei Parteien zusammen, die wenig gemein haben. Besonders die Liberalen boten regelmässig Anlass für heisse Dispute – zu Recht, denn es war einzig Christian Lindners FDP, die auf Prinzipien wie Budgetdisziplin und Konkurrenzfähigkeit pochte. Alles Werte, die in Deutschland immer weniger Anhängerinnen und Anhänger finden. Lindners FDP bringt es heute kaum mehr auf 5 Prozent. 

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Seine Ampel-Partner SPD und Grüne setzten dagegen wie eh und je auf Giesskanne, Feinsteuerung und ideologische Erweckungssätze wie einen irrwitzigen Atomausstieg, der noch höhere Energiekosten generierte. Dieser Kurs unter Kanzler Scholz hat Deutschlands Wirtschaft zum Sanierungsfall werden lassen, der nunmehr seit zwei Jahren in der Rezession steckt. Scholz beschönigte in seiner Trennungsrede gestern Abend und sprach von «Stagnieren» statt von Schrumpfen. Derweilen fragte die «Financial Times» Anfang Woche: «Ist Deutschlands Geschäftsmodell zerbrochen?» Und zeichnete ein düsteres Bild. 

Zwar hat sich FDP-Mann Lindner immer wieder für die Einhaltung der Schuldenbremse und ein Revitalisierungsprogramm für die Wirtschaft eingesetzt, aber damit ist nun definitiv Schluss. Scholz hat es gestern Abend angedeutet: Jetzt soll die Schuldenbremse gelockert werden, um die Ausgaben für Militär und Soziales schultern zu können. Doch der Wirtschaft hilft das wenig. Die Unternehmenssteuern liegen in Deutschland weiter bei 30 Prozent – und damit meilenweit über dem OECD-Mittel. In der Schweiz werden 20 Prozent fällig. Noch krasser ist es bei der Besteuerung der Arbeit: Da ist Deutschland mit einer Belastung von 47,8 Prozent das Schlusslicht in ganz Europa. In Berlin, Leipzig oder Stuttgart wird Arbeit nicht belohnt, sondern besteuert, und zwar mit prohibitiven Sätzen. Dass so keine Firma wachsen kann, ist eine Binsenwahrheit. Die tiefen Investitionsraten belegen es. Dabei hatte Kanzler Scholz über Jahre von seiner «Fortschrittskoalition» geschwärmt und so letztlich nur bewiesen, wie realitätsfern seine Wahrnehmung ist. 

Lindner wollte dies seit zwei Jahren ändern, doch er stiess bei seinen Koalitionspartnern auf Granit. So ist es nicht überraschend, dass sich die Wege von Scholz und Lindner trennen. Doch die Vorgänge in Berlin sind irritierend. Denn mit dem Abgang der Liberalen wird der Standort nicht attraktiver. Und das ist schlecht für Europa, denn Deutschland ist der Taktgeber auf dem Kontinent. Seine Rolle ist noch wichtiger geworden, seitdem sich das liberale und pragmatische Grossbritannien aus der Europäischen Union verabschiedet hat. Nun wirken in Europa Kräfte, die politische Lösungen vorab bei staatlichen Eingriffen suchen; daraus folgen Schuldenpolitik, Protektionismus, Steuererhöhungen und Überregulierung. Abzulesen ist dies an einer ständig wachsenden Staatsquote bei den EU-Staaten, die mittlerweile jenseits von 50 Prozent liegt. Da ist Konkurrent USA ganz anders unterwegs: dynamisch, innovativ. Wer die Märkte der Zukunft dominiert, ist offensichtlich: sicher nicht Europa, wohl aber die USA, wo heute 60 Prozent aller KI-Expertinnen und -Experten forschen und arbeiten.

Dabei wäre genau heute gefragt: ein vitales Europa, das wächst und die besten Talente anziehen kann. Stattdessen wandeln die Staaten Europas auf ausgetretenen Pfaden, was nicht als Erfolgsrezepte taugt. Die sinkende Produktivität und die tiefen Wachstumsraten sind ein Beleg für die schwindende Konkurrenzfähigkeit.

Es kann die Schweiz nicht freuen, wenn liberales Denken und Handeln – wie in Deutschland – kaum mehr Niederschlag in der Politik finden. Denn ein erodierender Standort Deutschland und ein zerstrittenes und lahmes Europa ist nicht im Interesse der hiesigen Wirtschaft. Schon gar nicht in einer Welt, in der US-Präsident Donald Trump auf Zollbarrieren setzt und China zusammen mit Russland die Brics-Allianz vorantreibt.