Beim Klima herrscht Planwirtschaft: Aus Angst vor den Klimaprognosen bis 2100 soll die Schweiz bis 2050 netto null Emissionen haben. Bei der Zuwanderung herrscht hingegen «Kein-Planwirtschaft». Die Regierung will die Zuwanderung nicht beschränken und hält die bis 2035 zu erwartenden zehn Millionen Einwohner für unproblematisch. Doch weshalb denkt sie nicht auch da an 2100?
Falls die Schweiz ihren Wohlstandvorsprung halten kann und die Zuwanderung wie in den letzten zwanzig Jahren weitergeht, wird die Einwohnerzahl bis 2100 auf 20 Millionen explodieren. Wer sich ernsthaft um das Wohl der Schweizer Bevölkerung um 2100 sorgt, sollte jetzt über eine kluge Lenkung der Zuwanderung nachdenken. Weshalb tut es die Regierung nicht?
Erstens zielt die Politik oft darauf ab, kurzfristigen Nutzen für gut organisierte Interessengruppen zulasten langfristiger Kosten für die Allgemeinheit zu generieren – und das alles in schöne Worte zu packen. Für die Klimapolitik heisst das: hehre Ziele predigen, deren Verfolgen jetzt Subventionen erlaubt, aber erst ab 2030 richtig teuer wird.
Kein Blick auf die langfristigen Kosten der Zuwanderung
Für die Zuwanderungspolitik heisst es: Jetzt voll auf Zuwanderung setzen, denn das bringt sofort manchen Firmen mehr Wachstum und der Regierung mehr Steuereinnahmen, grössere Budgets und mehr Regulierungsbedarf. Die enormen längerfristigen Kosten infolge Verknappung und Verteuerung von Infrastruktur, Land und Umweltgütern interessiert sie hingegen wenig.
Zweitens ist es schwierig, über die Zukunft nachzudenken. Oft dominiert ein Aspekt das Denken. So starren alle auf die Dekarbonisierung durch erneuerbare Energien, die den grössten technologischen Turnaround der Geschichte bedingt, verdrängen aber andere technologische Entwicklungen: Bis 2050 wird sich auch die Kernenergie massiv entwickeln.
So wird dann eher Energieflut als -knappheit herrschen. Zudem wird es wohl kostengünstig möglich sein, CO2 aus der Atmosphäre zu filtern und endzulagern. Da diese Technologie in Ländern mit viel Sonne günstig sein wird, wird die Emissionsvermeidung weltweit unattraktiv. Die Frage ist dann nur: Wer bezahlt für die Endlagerung?
Zugleich entwickeln sich die Klimamanagement-Technologien schnell, mit denen die Erwärmung günstig (aber mit Risiken) gelenkt werden kann, so zum Beispiel, indem die Reflexion des Sonnenlichts durch Wolkenbildung über dem Atlantik oder Schwebeteilchen in sehr hohen Atmosphärenschichten verstärkt wird. Da verschiedene Technologien wohl so günstig sein werden, dass einzelne Länder das Weltklima prägen könnten, geht der ganz grosse Konflikt der Zukunft wohl um Ausmass, Technologie und Finanzierung der Kühlung.
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und regelmässiger Kolumnist der «Handelszeitung». Die in den Kolumnen vertretenen Ansichten können von jenen der Redaktion abweichen.
1 Kommentar
Ich stimme der Aussage von Reiner Eichenberger zu, dass die Regierung das Thema Zuwanderung nicht and die Hand nimmt; und das schon seit Jahrzehnten. Aber beim Rest frage ich mich: Was will uns Reiner Eichenberger damit sagen? Zwei Beispiele: "Zudem wird es wohl kostengünstig möglich sein, CO2 aus der Atmosphäre zu filtern und endzulagern." und "Da verschiedene Technologien wohl so günstig sein werden, dass einzelne Länder das Weltklima prägen könnten,..." Einschätzungen zur Zukunft, die mit dem Wörtchen "wohl" daherkommen dafür ohne Jahreszahl sind mir suspekt und sollten - wohl - besser unterlassen werden.