Die Schweiz hat den grössten Finanzplatz für grenzüberschreitende Vermögensverwaltung. Natürlich liegen auch hier noch Milliarden von Putin und seinen Freunden. Sie haben ihr Eigentum an Familienmitglieder und enge Mitarbeiter übertragen. Mit Anwaltskanzleien, Protektoren, Treuhänderinnen und Begünstigten spezielle Treuhandgesellschaften aufgebaut. Sie besitzen Immobilien als Wertanlage und zur Vermögensnutzung. Sie setzen Strohmänner ein, fälschen Dokumente und leiten sensible Güter über Drittstaaten. All diese Methoden zur Sanktionsvermeidung hat die Taskforce Repo der G7-Staaten und Australien im vergangenen Jahr aufgedeckt.
Die Schweiz ist beim internationalen Kampf gegen die russische Finanzkriminalität essentiell. Die G7-Botschafter drängen sie aus gutem Grund zur Teilnahme an ihrer Oligarchen-Taskforce. Bidens Mann in der Schweiz, Scott Miller, beklagt zu Recht, dass man für die Schweiz bislang «immer eine extra Lösung» brauche.
Und was sagt die Schweiz? Seco-Chefin Helene Budliger Artieda ist stolz auf die bislang eingefrorenen 7,5 Milliarden Franken, lobt den «effizienten» Austausch mit den G7 und der EU «auf technischer Ebene» und stichelt, man habe von den Amerikanern auch noch keine «verwertbaren Hinweise» bekommen.
Dabei ist die Schweiz nachgewiesen nicht so erfolgreich, wie sie glaubt. Die Financial Action Task Force (FATF) bescheinigt ihr zwar eine gute Transparenz und Fortschritte bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Sie sieht aber Compliance-Lücken bei Sanktionen und der internationalen Zusammenarbeit: Also allem, was inmitten einer hyperglobalisierten Welt und geopolitischen Spannungen immer wichtiger wird.
Die Schweiz hat nachgewiesen Compliance-Lücken bei den Sanktionen.
Bei der internationalen Suche nach Oligarchengeld gibt es anders als beim Kriegsmaterialgesetz keine neutralitätspolitischen Bedenken. Die Schweiz hat sich den Sanktionen angeschlossen. Und sie ist mit dem Problem der verschleierten Vermögen ja nicht allein – auch die anderen Länder wissen nicht, wo das Geld steckt. Der systematische Austausch kann beim Aufspüren helfen und er macht die Sanktionsumsetzung auch effizienter.
Die Schweiz hat das insofern schon anerkannt, dass sie sich sowohl mit der Repo-Taskforce als auch vor allem mit der EU-Taskforce «Freeze and Seize» austauscht. Bei der EU nimmt sie nach eigenen Angaben regelmässig an Treffen der Taskforce teil. Warum verweigert sie dennoch die volle Teilnahme?
Will die Schweiz abseits von Waffenlieferungen helfen, Putins Wahnsinn einzudämmen, ihre eigene Sicherheit schützen und ihren guten Ruf auf der internationalen Bühne bewahren, muss sie alles tun, damit ihre eigenen Sanktionen nicht umgangen werden. Alternativ muss sie transparent erklären, warum sie die internationalen Anstrengungen behindert.
Je mehr Zeit die Oligarchen haben, desto mehr Schlupflöcher finden sie.
Die Zeit drängt. Der Kreml weiss, dass sich die Sanktionen noch verschärfen werden, wenn Europa nicht mehr von seinem Öl und Gas abhängig ist. Die Finanz-Schlinge um Putin und seine Unterstützer enger zu ziehen, ist das wichtigste (und am wenigsten blutigste) Mittel, um der Ukraine zu helfen. Die eilig beschlossenen Massnahmen haben zahlreiche Schwächen, sie müssen konstant überprüft und ausgebaut wirken.
Sanktionen wirken, je länger sie in Kraft sind. Je mehr Zeit die Oligarchen haben, desto geschickter können sie ihr Vermögen aber auch verstecken. Desto mehr Schlupflöcher finden sie. Sie können sich für die riskantere Anbindung an China entscheiden, weg von den Dollars, hin zum chinesischen Renminbi. Neu aufgebaute Zahlungsweise nutzen, weil das Land ja weitgehend vom Swift-System abgeschnitten ist.
Das Problem ist ausschliesslich politisch: Relevante Verbände wie die Schweizerische Bankiervereinigung wollen sich auf Anfrage zu einer vertieften Suche nach Oligarchengeld nicht positionieren. Die Schweizer Finanzinstitute setzen um, was die Regierung von ihnen fordert.
Die Schweiz muss keine Angst vor Putin haben oder davor, zu Konfiskationen gedrängt zu werden. Der Kreml-Chef hat sie längst zum feindlichen Land erklärt. Und die Beschlagnahmung russischer Vermögen hat der Bundesrat im Februar bereits ausgeschlossen. Wenn die Schweiz eine starke internationale Stimme für Eigentumsrechte und den Schutz von Finanzplätzen sein will, kann es nur von Vorteil sein, mit am Tisch zu sitzen und mitzutun.
2 Kommentare
Hauptsache unsere Schweiz. Journalisten können die Schweiz immer nur kritisieren. Blenden in ihren Berichterstattungen aber auch die Gesetzteslage aus, die es perse grundsätzlich zu berücksichtigen gilt. Aber es ist offenbar modern geworden, Gesetze von den Regierenden zu brechen, egal ob in Deutschland, Frankreich, Italien oder gar die Institution EU. Wo steuern wir hin?
Lieber Herr Galzer, die Schweiz hat sich den Sanktionen ja bereits angeschlossen. Es geht hier also nicht um etwas, das Gesetze verletzten würde, sondern im Gegenteil darum, geltendes Recht konsequent anzuwenden.