Für Millionen von Menschen weltweit sind die USA das Land der Träume – und der US-Pass das Ticket dazu. Doch für immer mehr ihrer Bürger ist der blaue Pass offenbar nicht mehr attraktiv. Noch nie verzichteten so viele Amerikaner auf die Staatsbürgerschaft wie heute. Seit drei Jahren steigt die Zahl der US-Bürger, die dem Land den Rücken kehren.
Die Schweiz steht fast an der Spitze der Welle. Das kanadische Nachrichtenportal Global News platziert die Schweiz sogar unter den Top drei: Nur in Kanada und Grossbritannien verzichten demnach mehr Amerikaner auf ihre Staatsbürgerschaft. Schätzungsweise 18'000 US-Bürger leben hierzulande. Martin Naville, Direktor der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer AmCham erklärt, wieso sich überdurchschnittlich viele davon von den USA abwenden.
Herr Naville, wieso geben viele US-Bürger in der Schweiz ihren Pass ab?
Martin Naville: Die überwiegende Mehrheit ist Doppelbürger. Der Hauptgrund ist sicher, dass US-Bürger eine Steuererklärung ausfüllen müssen. Die meisten Doppelbürger zahlen am Schluss in den USA gar keine Steuern. Der Vorgang ist aber sehr kompliziert, aufwendig und am Schluss auch gefährlich. Wenn jemand vergisst, die Steuererklärung einzureichen, gibt es schnell eine saftige Busse.
Ist die US-Staatsbürgerschaft also ein Nachteil?
Der amerikanische Pass verkompliziert dass Leben massiv. Früher konnte man ohne Zusatzaufwand einen US-Pass haben, heute ist es eine grosse Unannehmlichkeit, und die muss sich lohnen. Als Reservepass in der Schublade lohnt sich der US-Pass nicht mehr. Man muss aber die Relationen beachten: Gut tausend Amerikaner geben pro Quartal ihren Pass ab. Bei der Lotterie für eine Arbeitsbewilligung - der Green Card - bewerben sich viermal pro Jahr Hundertausende. Es gibt keinen Exodus von amerikanischen Bürgern. Es ist ein bisschen ein Luxusproblem von Doppelbürgern in der Schweiz.
Werden weiterhin so viele Amerikaner in der Schweiz den Pass abgeben?
In der Schweiz wurden in den letzten fünf Jahren viele Pässe zurückgegeben. Sehr viele Doppelbürger, die den Pass nicht wirklich benötigten, haben mittlerweile auf die Staatsbürgerschaft verzichtet. Der Trend wird sich aber im Ausland fortsetzen: Auch in anderen Ländern werden sich Doppelbürger überlegen, ob sie wegen des FATCA-Steuergesetzes und des automatischen Informationsaustausches ihren US-Pass wirklich brauchen. In der Schweiz ist die Sensibilisierung für das Thema bereits sehr viel höher wegen des US-Steuerstreits.
Martin Naville ist CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer AmCham in Zürich. Die Organisation setzt sich für die Wirtschaftsbeziehung zwischen der Schweiz und den USA ein. Naville, Jahrgang 1959, leitet die Handelskammer seit 2004.