Asoziale, Systemprofiteure, schuld am Fachkräftemangel und an der hohen Zuwanderung: Teilzeitbeschäftigte müssen sich derzeit einiges anhören. Man kommt sich fast wie ein Schuft vor, wenn man als Vater das Pensum reduziert, um mehr für die Kinder da zu sein und der Partnerin die Karrierechancen offenzuhalten.
Bei genauerem Hinschauen richtet sich die Teilzeitschelte in der Regel aber nicht an die engagierten Jungväter und auch nicht an die über 300’000 Unterbeschäftigten, die sofort mehr arbeiten würden, wenn sie etwas fänden.
Feindbild der Teilzeitkritikerinnen sind die «Faulen», die kinderlosen Akademiker mit den guten Löhnen, die sich die Drei- oder Viertagewoche leisten können, aber mit ihrem Einkommensverzicht wegen der Progression überproportional Steuern sparen und weniger in die AHV einzahlen, als sie eigentlich könnten. Sie verdanken der Allgemeinheit ihre Ausbildung, geben ihr aber nicht genug zurück, so der Tenor.
Genau diese Gruppe soll nun über steuerliche Anreize zu höheren Pensen motiviert werden. Mit einem Vollzeitbonus oder einem Steuerabzug für hohe Pensen.
Das Problem an solchen Vorschlägen: Sie bestrafen auch jene, die unfreiwillig kleine Pensen haben oder bei der Kinderbetreuung helfen. Und sie belohnen all jene, die schon heute Vollzeit arbeiten.
Um das Anreizsystem fair zu gestalten, müsste man im Einzelfall beurteilen, ob die Person nicht etwas mehr arbeiten könnte. Es wäre de facto die Abkehr vom Grundsatz, die Leute danach zu besteuern, was sie effektiv verdienen, hin zur Besteuerung des Soll- oder Potenzialeinkommens. Das wäre mit einem immensen bürokratischen Aufwand verbunden und gäbe den Steuerbehörden viel Ermessensspielraum.
Deshalb ist die Idee eines Vollzeitbonus nicht nur unpraktikabel, sondern auch unliberal.
Es bestünde zwar nicht gerade ein Vollzeitarbeitszwang, aber der Staat würde dieses Arbeitsmodell belohnen und sich damit in die individuelle Entscheidung einmischen, wie viel man arbeiten und verdienen möchte.
Zu Ende gedacht bedeutet die Idee, die Leute nach ihrem Potenzialeinkommen zu besteuern, dass alle jene steuerlich benachteiligt würden, die nicht nach Lohnmaximierung streben. Medizinerinnen könnten in der Pharma doch mehr verdienen, und Wirtschaftsjournalisten sollen doch gefälligst zu den Banken wechseln.
Doch die Menschen zu motivieren, Arbeitsmaschinen und BIP-Maximierern zu werden, kann nicht Aufgabe des Staates sein. Ein liberaler Staat muss sich nicht darum kümmern, wer wie viel aus seiner Arbeitskraft herausholt. Denn in einem funktionierenden Markt sollte der Preis beziehungsweise der Lohn Anreiz genug sein.