Handelszeitung Online: Sie werden in der Online-Ausgabe der deutschen Wirtschaftszeitung «Handelsblatt» mit den Worten «Credit Suisse ist sicher kein Einzelfall» zitiert. Worauf stützen Sie diese Aussage?
Thomas Koblenzer: Ich kenne mehrere Versicherungsunternehmen, die entsprechende sogenannte VIP-Policen vor dem gleichen Hintergrund beziehungsweise mit der gleichen Zielsetzung verkauft haben.
An wen denken Sie dabei konkret?
Es handelt sich um Unternehmen aus Liechtenstein, aus der Schweiz und aus Luxemburg.
Liegen Ihnen entsprechende Anfragen von Kunden vor, die nach der Razzia bei CS-Kunden Angst bekommen haben?
Nein! Ich dürfte hierüber auch aus standesrechtlichen Gründen keine Angaben machen.
Wie beurteilen Sie persönlich die eingesetzten Anlage-, respektive Steueroptimierungs-Konstrukte?
Wenn sie richtig gemacht sind, sind sie sicher und auch im Rahmen der Vermögensverwaltung eine interessante Alternative, weil man legal hierüber einkommen- und erbschaftssteuerliche Vorteile generieren kann. Nicht jede Versicherungslösung ist darauf angelegt, Schwarzgelder zu verbergen. Das ist vor allem ein Problem der Steuerpflichtigen und natürlich solcher Berater, die bewusst solche Produkte empfehlen, um die Steuerstraftat weiterhin zu verdecken. Solche Berater können sich der Beihilfe oder Begünstigung schuldig machen.
Bei Credit Suisse sollen 7000 Kunden betroffen sein – wie gross schätzen Sie die Zahl derjeniger, die generell von diesen «Steuersparmodellen» betroffen sind?
Die tatsächliche Zahl kann man kaum schätzen. Vor 2004 waren jedoch solche Produkte bei der vermögenden Klientel sehr gefragt, weil man unter Inanspruchnahme der steuerlichen Privilegien einer Lebensversicherung letztlich Vermögensverwaltung betreiben konnte. Der Gesetzgeber hat dem dann durch Änderung des Einkommensteuergesetzes einen Riegel vorgeschoben.
Inwiefern?
Solche Verträge - sogennante vermögensverwaltende Versicherungsverträge - kommen heute nicht mehr in den Genuss der Privilegien für Lebensversicherungen, sondern sind wie jede Kapitalanlage hinsichtlich der Lebensversicherung zufliessenden Erträgnisse mit der Abgeltungsteuer von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag zu versteuern. Der für die Verjährung von Steuerstraftaten «interessante» Thesaurierungseffekt kann deshalb mit solchen Versicherungskonstrukten heute nicht mehr erzielt werden.
Handelt es sich dabei aus Ihrer Sicht um ein klassisches «Schweizer» Problem?
Versicherungspolicen Schweizer Anbieter sind eher in der Minderzahl.
Wie wird dieser neue Fall die Beziehungen Schweiz/Deutschland insbesondere im Hinblick auf das Steuerabkommen verändern?
Das Thema hat eine besondere Dimension im Hinblick auf die im Abkommen für deutsche Finanzbeamte vorgesehene strafrechtliche Amnestieregelung. Denn die Daten sind offenbar auch aus angekauften Quellen bezogen worden. Der Ankauf und die Auswertung der Daten ist in Deutschland unstreitig strafbar - das heisst, die involvierten Finanzbeamten machen sich nach deutschem Strafrecht strafbar. Das gilt gegebenenfalls auch für den NRW-Finanzminister Walter Borjans, der sich wahrscheinlich der Beihilfe schuldig gemacht hat. Mit dem Abschluss des Abkommens werden solche Taten jedoch amnestiert, was ein Skandal ist!
Das sind happige Vorwürfe.
Nach Abschluss des Abkommens darf Deutschland die Daten weder beschaffen noch auswerten. Deshalb kann NRW diese Ermittlungen nur noch umsetzen und die Daten auswerten, solange das Abkommen noch nicht von beiden Staaten ratifiziert wurde. Danach ist der Zug abgefahren. Übrigens: Die Amnestieregelung für straffällige deutsche Finanzbeamte ist nach einem hier erstellten Gutachten verfassungswidrig. Auch völkerrechtlich bestehen erhebliche Bedenken. Die Schweizer werden diese Ermittlungen mit der Faust in der Tasche dulden, weil sie unbedingt das Abkommen haben wollen. Allerdings dürften die jüngsten Ermittlungen deutscher Finanzbeamter staatsanwaltliche Ermittlungen in der Schweiz auslösen.
Thomas Koblenzer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in der Kanzlei Koblenzer mit Büros in Düsseldorf und Zürich.