Lange sah es nach einem innenpolitischen Patt aus. Die Gewerkschaften verlangten partout überall Mindestlöhne und einen starken Lohnschutz, die Arbeitgeberverbände lehnten dies um jeden Preis ab. «No Deal» beim Lohnschutz war die Devise beider Seiten. No Deal hiesse aber, das vom Bundesrat verhandelte EU-Verhandlungspaket zu gefährden.
So liess Wirtschaftsminister Guy Parmelin nichts unversucht, um die verhärteten Positionen zu massieren – in sechzig Verhandlungsrunden! Mit Erfolg, wie die gestrige Bundesratsinfo zeigt: Die vier Sozialpartner – der Gewerkschaftsbund, Travail.Suisse, der Gewerbeverband und der Arbeitgeberverband – stehen hinter dem Lohnschutzpaket. Das ist ein wohlverdienter Erfolg für Parmelin und seine zupackende Staatssekretärin für Wirtschaft, Helene Budliger Artieda.
Erfolg in fünf Punkten
Der Erfolg kann in fünf Punkten umrissen werden: Erstens hat Budliger erreicht, dass die Sozialpartner und Kantone ihre Kontrollen beschleunigen und den Ablauf entschlacken.
Zweitens will die Schweiz jetzt echte Bussen gegen delinquierende EU-Firmen verhängen. Bisher waren es schwach durchsetzbare Konventionalstrafen.
Drittens hat die Seco-Chefin erreicht, dass künftig alle entsandten EU-Mitarbeitenden in der Schweiz die Lohninformationen per Badge auf sich tragen müssen. So kann einfach kontrolliert werden.
Viertens will der Bundesrat Schweizer Spesenregeln auch gegen den Willen der EU durchsetzen. Auf einen Konflikt lässt er sich ein – im Wissen, dass einige EU-Länder die EU-Regeln ebenso wenig einhalten.
Und fünftens sollen laut Bundesrat Branchen mit heute gültigen allgemeinverbindlichen Mindestlöhnen und Arbeitsbedingungen geschützt werden, nicht aber neue Branchen. Der letzte Punkt sei zwar noch nicht ganz abgesichert, «aber auf gutem Wege», sagte Parmelin am Mittwoch.
In der Bilanz kann man sagen, dass die Massnahmen effizient, durchsetzungsstark, der Realität angepasst und hart am Puck gespielt sind, aber korrekt als Ganzes. Die Reaktionen der Sozialpartner fallen moderat aus, selbst jene des Gewerkschaftsbunds. «Alle vier Sozialpartner stehen im Grundsatz dahinter», bestätigt Parmelin.
Maillard wird nie zustimmen
Was jetzt am meisten interessiert, ist, ob sich auch Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard für das geschnürte EU-Vertragspaket aussprechen wird. Die kurze Antwort ist: Er wird es nicht tun, weil er ein harter Verhandler ist. Weil er immer mehr herausholen will, als ihm offeriert wird, mit dem Wissen, dass nach einer geschlagenen Schlacht die nächste wartet. Verliert er die eine, gewinnt er die nächste. Maillard hat hoch gepokert. Er verlangte Unmögliches, darunter landesweite Mindestlöhne. Sie sind für ihn nicht vom Tisch. Jetzt darf er nicht das Gesicht verlieren, also wird er dem EU-Vertrag auch nicht zustimmen.
Wie es einer sagt, der ihn gut kennt: Er sei innerlich dagegen, aber er werde sich neutral verhalten. Doch ist das ein Problem? Die Volksabstimmung ist jedenfalls noch nicht gewonnen.
1 Kommentar
Es ist erfreulich, dass Fortschritte festgestellt werden. Tatsache bleibt, dass die Gewerkschaften mit diesen Massnahmen weniger als 1% der Arbeitsstunden verteidigen- und der BR spielt mit und macht Konzessionen. Die Gewerkschaften verteidigen den Lohnschutz in dieser Niche der Entsendung ausländischer Arbeitskräfte nur, weil sie mit den ihnen übertragenen Kontrollen viel Geld verdienen. Die EU hat der Schweiz eine weitgehende Konzession gemacht : Schweizer Handwerker können ohne Auflagen in den Nachbarländern tätig werden. Es wäre angezeigt, wenn der BR und vor allem auch die Presse darstellen würden wie unwichtig diese Aspekte volkswirtschaftlich sind, stattdessen mantraartig nachzubeten, dass ohne die Gewerkschaften keine Abstimmung zu gewinnen wäre. Der Autor hat recht: Maillard wird für jedes Dossier seine Erpressungspolitik weiterführen, auch wenn der Lohnschutz geregelt ist. Vielleicht wäre es angezeigt, den Gewerkschaften verständlich zu machen, dass ohne Bilaterale III auch die bestehenden Regelungen nicht mehr anwendbar sind .