Die Schweiz leidet zunehmend an schlechter Politik. Beispiel eins, Altersvorsorge: Ihre Probleme könnten gelöst werden, indem die Einkommenssteuern auf Arbeitseinkommen von über 65-Jährigen gesenkt und so ihre Arbeitsanreize gestärkt würden. Doch stattdessen wollen unsere Politiker die Beitragssätze der Jungen und die Mehrwertsteuern erhöhen.

Ihr Argument: Ansonsten nähmen die Alten den Jungen die Arbeitsplätze weg. Tatsächlich aber steigert Altersarbeit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und schafft so zusätzliche Arbeitsplätze.

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Reiner Eichenberger ist ordentlicher Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor des Instituts Crema.

Beispiel zwei, Impfstrategie: Statt mit Lonza-Moderna eine eigene Produktionsstrasse für die Schweiz aufzubauen, folgte unsere Politik der total verlangsamten EU-Strategie. Das Argument: «Wir wollten nicht den anderen den Impfstoff nehmen.» Tatsächlich hätte der Deal zusätzlichen Impfstoff geschaffen und anderen Ländern als Vorbild gedient, sodass heute ganz Europa mit dem Impfen viel weiter wäre.

Was steckt hinter solchem Politikversagen? Viele Politiker sehen die Wirtschaft als Nullsummenspiel: Was die einen gewinnen, verlieren andere. Tatsächlich ist das Unsinn. Die Wirtschaft ist ein Positivsummenspiel. Der Kuchen ist nicht fix. Wer viel leistet und innovativ ist, trägt zum Wachstum des Kuchens und aller Teilstücke bei. Weshalb sehen das viele Politiker nicht?

«Milizpolitiker wissen zumeist aus eigener Erfahrung, dass die Wirtschaft ein Positivsummenspiel ist. Viele Berufspolitiker wissen das nicht mehr.»

Die Politik selbst ist ein Nullsummenspiel. Die Zahl der Parlaments- und Regierungssitze ist fix begrenzt. Deshalb gibt es für jeden Wahlsieger wenigstens einen Verlierer. 

Milizpolitiker wissen zumeist aus eigener Erfahrung, dass die Wirtschaft ein Positivsummenspiel ist. Viele Berufspolitiker wissen das nicht mehr, sondern generalisieren ihre Erfahrungen aus ihrer kleinen Nullsummenwelt falsch auf die grosse Wirtschaftswelt. Zur Verengung der Lebenserfahrung können dann auch noch unschöne Selektionseffekte kommen. Wer geht freiwillig und erfolgreich in eine Nullsummenwelt? Spezialisten für das Verhalten in einer Nullsummenwelt!

Was folgt daraus? Für den weiteren Erfolg der Schweiz ist entscheidend, dass die Milizpolitiker wieder an Einfluss gewinnen.

Idee: Maximal 1 Million Franken

Natürlich braucht es die «Lebensabschnittsberufspolitiker» in den Regierungen weiterhin. Doch die Karriereberufspolitiker, die ihr ganzes Berufsleben in der Nullsummenwelt der Politik verbringen, werden zum Risiko.

Hinzu kommt die Rolle des Wahlsystems. Bei einer Volkswahl im Majorzverfahren müssen die Kandidaten die Mehrheit der Wählerstimmen gewinnen. Dafür müssen sie die Welt realistischer und weniger ideologisch sehen als bei einer Proporzwahl. Die Problemzone bilden deshalb vor allem Berufsnationalräte und der immer frühere Einstieg in die Berufspolitikerkarriere.

Was tun? Die Parlamentsarbeit könnte vereinfacht, die Entschädigung der Parlamentarier von ihrem zivilen Einkommen abhängig gemacht und die Amtszeiten könnten beschränkt werden.

Mein Lieblingsvorschlag ist aber folgender: Die lebenslange Gesamtentschädigung für Parlamentarier sollte beschränkt werden. Zum Beispiel auf 1 Million Franken.

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