Herr Ammann, was genau bedeutet das, eine Finanztransaktionssteuer?
Noch ist weder klar, wie die Steuer ausgestaltet sein wird, noch wer sie wird bezahlen müssen. Die Idee im Moment ist eine Abgabe auf den Handel mit Aktien und Obligationen. Da wurde auch bereits ein Steuersatz von 0,1 Prozent genannt. Bei den Derivaten soll die Steuer 0,01 Prozent betragen.

Weshalb sind es genau diese 11 Länder, welche die Absichtserklärung unterzeichnet haben?
Das hat in erster Linie politische Gründe. Diese kann ich nicht in letzter Konsequenz nachvollziehen. Es fällt aber sicherlich auf, dass genau diejenigen Länder nicht mitmachen wollen, welche einen starken Finanzplatz haben.

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Salopp gesagt: Wo es Auswirkungen hätte, macht man es nicht.

Ja. England, Luxemburg, die Niederlande machen nicht mit. Ebenso wenig die skandinavischen Länder, wo man bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat: Als Schweden die Steuer eingeführt hat, ist der Handel zusammengebrochen.

Wie wirkt sich die Einführung einer solchen Steuer in Deutschland konkret auf den Finanzplatz Schweiz aus?

Primär ist das für einen Staat, der nicht mitmacht, positiv. Er wird als Finanzplatz wettbewerbsfähiger.  Allerdings hat die Schweiz bereits eine Finanztransaktionssteuer in Form einer Umsatzabgabe. Die Schweiz wird also wenig profitieren. Wenn der Handel abwandert, dann am ehesten nach England.

Davon spricht in der Schweiz aber niemand ...

Die Umsatzabgabe in der Schweiz gibt es schon lange. Sie hat immer wieder für Diskussionen gesorgt. Weil man gemerkt hat, dass sie die Konkurrenzfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes schwächt, wurde sie bereits entschärft. So können zum Beispiel ausländische Effektenhändler abgabefrei in der Schweiz handeln. Die Einnahmen wollte man allerdings nicht ganz verlieren, deshalb gibt es die Steuer immer noch.

Kann eine Finanztransaktionssteuer ein Marktversagen überhaupt verhindern?

Ich habe grosse Zweifel daran. Es gibt keine überzeugenden wissenschaftlichen Belege dafür, dass eine Finanztransaktionssteuer Exzesse oder negative Auswirkungen auf den Markt verhindern kann. Im Gegenteil: Empirische Studien zeigen, dass durch das Erhöhen der Transaktionskosten die Markteffizienz und die Liquidität leiden und sogar die Volatilität erhöht wird. Eine Transaktionssteuer ist eine Friktion, welche wie Sand im Getriebe des Marktes wirkt. Sand im Getriebe führt selten dazu, dass eine Maschine ruhiger und zuverlässiger läuft.

Und diesem Sand im Getriebe entgehen grossen Akteure einfach durch Wegzug?

Im Prinzip ja. Die Frage ist immer, wie hoch die Steuer ist und ob es sich lohnt, den Handel deswegen zu verschieben. Es hängt auch von der genauen Ausgestaltung der Steuer ab, wie leicht man sich entziehen kann. Letztlich läuft es meist auf Nachteile für die immobilen Marktakteure hinaus.

Wer sind diese «immobilen Marktakteure»?

Zum Beispiel die Privatanleger. Ein Fonds oder Händler kann auf andere Handelsplätze ausweichen oder gar seinen Sitz verlegen. Für Privatanleger ist das schwieriger.

Aber Privatanleger haben noch nie ernsthafte Marktausschläge verursacht...

In der Regel nicht. Trotzdem hat beispielsweise Frankreich – wo die Steuer bereits in Kraft getreten ist – den Hochfrequenzhandel sehr milde behandelt. Man möchte ja Geld einnehmen und das funktioniert nur, wenn noch gehandelt wird. Die Umsetzung einer solchen Steuer ist in jedem Fall komplex und der Teufel liegt im Detail.