Die kleine Schweiz sorgt für ein grosses Beben: Mit der Annahme der Zuwanderungsinitiative steht das Land mit einem Schlag im internationalen Rampenlicht – und erntet grösstenteils Fassungslosigkeit. Das Abstimmungsergebnis sorgt rund um die Welt für Schlagzeilen: Jahrelang habe die Schweiz vom freien Zustrom internationaler Arbeitskräfte profitiert, heisst es etwa auf der Newsseite des internationalen amerikanischen Fernsehsenders CNN. Nun habe die Bevölkerung den Warnungen der eigenen Regierung keinen Glauben geschenkt. Selbst in der indischen «Hindu Times» ist die Eidgenossenschaft das Thema der Stunde.
Besonders gross ist das Unverständnis in den angrenzenden Ländern: «Die Schweiz steht vor einem Scherbenhaufen», heisst es etwa in einem Kommentar in der sonst zurückhaltenden konservativen deutschen Tageszeitung F.A.Z. Die wirtschaftlichen Konsequenzen seien kaum abzusehen, schreibt die französische Wirtschaftszeitung «Les Echos». Nach Ansicht der linken französischen Tageszeitung «Libération» riskiert die Schweiz ihr Verhältnis zur Europäischen Union. Zitiert wird der Genfer Politologe Pascal Sciarini: Seiner Ansicht nach werde der Entscheid zu «Chaos» führen und die Beziehungen der Schweiz zur EU aufs Spiel setzen.
«Geistige Abschottung kann leicht zur Verblödung führen»
Besonders heftige Kritik übte der deutsche SPD-Politiker Ralf Stegner: «Geistige Abschottung kann leicht zur Verblödung führen», twitterte der Landes- und Fraktionsvorsitzende der Partei im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein. Damit nicht genug. In einer weiteren Reaktion fragte er über den Kurznachrichtendienst Twitter provokativ: «Frage mich gerade, ob die Schweizer auch die Schwarzgeldkonten deutscher Promis beschränken wollen – oder geht es nur gegen die Habenichtse?»
Andere deutsche Politiker reagierten ebenfalls skeptisch, wenn auch diplomatischer: «Das wird eine Menge Schwierigkeiten für die Schweiz verursachen», sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble in der ARD. Noch deutlicher wurde der französische Aussenminister Laurant Fabius: 60 Prozent des Handels der Schweiz werde mit der EU abgewickelt. Die Verträge müssten neu verhandelt werden, sagte Fabius dem Fernsehsender RTL.
Das Boulevardblatt «Bild» machte in der Schweiz sogar Katerstimmung aus und titelte: «So schämen sich die Schweizer». Tatsächlich gingen am gestrigen Sonntag Demonstranten in Zürich, Luzern und Bern auf die Strassen, um gegen das Abstimmungsergebnis zu demonstrieren.
«Von der Schweiz kann ein Signal ausgehen»
Teils erntet die Schweiz indes auch Verständnis für den Abstimmungsausgang: Der Journalist Wolfgang Koydl kommentiert in der «Süddeutschen Zeitung», dass die Abstimmung in anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Deutschland oder Frankreich wohl zu einem ähnlichen Ergebnis wie in der Schweiz geführt hätte. «Von der Schweiz kann ein Signal ausgehen für die Union. Oder ein Fanal», schreibt er.
Zuspruch erhält die Schweiz erwartungsgemäss aus dem europaskeptischen Grossbritannien – obgleich dieser etwas vergiftetet ist: Das Schweizer Volk habe seine Vorteile aus seiner Rolle ausserhalb der EU genommen und gestalte nun seine eigenen Migrationsregeln – «ich gratuliere ihm dazu», lässt sich Nigel Farage, Chef der UK Independence Party (UKIP), auf der Webseite der Anti-EU-Partei zitieren.