15 Monate nach dem Nein an der Urne zu einer privaten E-ID steht eine staatliche Lösung bereit. Künftig soll der Bund eine App für das Smartphone anbieten, mit der man sich sicher, schnell und unkompliziert digital ausweisen kann. Ein Fokus gilt der Datensicherheit.
Den staatlichen digitalen Identitätsnachweis sollen künftig alle Personen beantragen können, die über eine Schweizer Identitätskarte, einen Schweizer Pass oder einen von der Schweiz ausgestellten Ausländerausweis verfügen.
Zum Einsatz kommen könnte die digitale Identität beispielsweise bei der elektronischen Bestellung eines Strafregisterauszugs im Internet oder zum Altersnachweis beim Kauf von Alkohol in einem Laden.
Keinen Einfluss hat die E-ID-Vorlage auf die laufende E-Voting-Projekte.
Anders als bei der abgelehnten Vorlage im Frühjahr 2021 soll der Bund für die Herausgabe der E-ID verantwortlich sein und die Infrastruktur betreiben, welche als Grundlage für die E-ID dient. Der Bundesrat entspricht damit dem Wunsch des Parlaments, das kürzlich Vorstösse in dieser Richtung verabschiedet hat.
«Wir haben einen Neustart gemacht», sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Mittwoch vor den Medien in Bern. Es handle sich beim Projekt nicht um eine Kopie oder einer Wiederauflage der gescheiterten E-ID. «Alles ist von Grund auf neu konzipiert.»
Nutzerfreundliche App geplant
Mit der neuen E-ID könne man sich ausweisen, es sei nicht bloss ein Login, sagte Keller-Sutter. «Es ist eine elektronische Brieftasche auf dem Smartphone.»
Laut Michael Schöll, Direktor des Bundesamts für Justiz (BJ), sollen sich künftig alle gratis eine sogenannte Wallet-App auf das Handy herunterladen können. Dann werde man aufgefordert, den physischen Ausweis zu fotografieren. Mit einem Live-Video-Selfie müsse jede und jeder danach das eigene Gesicht aus verschiedenen Perspektiven zur Authentifizierung filmen.
Wenn alles übereinstimmt, ist die E-ID bereits erstellt. «Das sollte nicht länger als zwei Minuten dauern.»
Welche Angaben die Nutzenden dann bekanntgäben, sei ihnen selbst überlassen, sagte Schöll. Der Bund erfahre nichts davon, wenn die E-ID im Einsatz gewesen sei. Übermittelt werden nur die nötigsten Daten.
Datenschutzanliegen berücksichtigt
Beim Votum über das E-ID-Gesetz im März 2021 hatte eine Zweidrittelmehrheit aus Sicherheitsbedenken beim Datenschutz dagegen gestimmt, wie die Vox-Analyse zeigte. «Die E-ID muss sicher sein», sagte Keller-Sutter. Der Datenschutz und die Selbstbestimmung seien deshalb im Fokus gestanden bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs, den der Bundesrat bis am 20. Oktober in die Vernehmlassung geschickt hat.
Keller-Sutter versicherte, dass die Vorlage alle gesetzlichen Anforderungen erfülle und den internationalen Standards entspreche. Die Universitäten und der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (Edöb) seien in den Prozess eingebunden.
Der Datenschutz soll durch das System selber, aber auch durch die Minimierung der nötigen Datenflüsse sowie eine dezentrale Datenspeicherung gewährleistet werden. Die Bezeichnungen hierfür lauten Self-Sovereign Identity, Privacy by Design und Datensparsamkeit.
Freiwilliger Einsatz
Der Bundesrat will das Gesetz zudem technologieneutral formulieren, um auf Entwicklungen reagieren zu können. Die E-ID soll ausserdem dereinst auch im Ausland anerkannt und eingesetzt werden können.
Die Nutzung einer E-ID soll freiwillig und kostenlos sein. Sämtliche Dienstleistungen des Bundes, bei denen eine E-ID zum Einsatz kommen kann, würden weiterhin auch in einem analogen Prozess angeboten, sagte Keller-Sutter. «Mit der E-ID spart man aber Zeit und Geld.»
Gleichzeitig sollen alle Behörden, auch Kantone und Gemeinden, die E-ID akzeptieren müssen, wenn sie eine elektronische Identifizierung vornehmen, so zum Beispiel bei der Ausstellung einer Wohnsitzbestätigung oder eines Betreibungsregisterauszugs.
Frühestens 2025 in Kraft
Die zum Zweck der E-ID geschaffene staatliche Infrastruktur soll auch von kommunalen und kantonalen Behörden sowie von Privaten genutzt werden können. Das Ziel ist, dass zum Beispiel Diplome oder Tickets und Mitgliederausweise auch als digitale Nachweise herausgegeben und in der App sicher verwaltet werden können.
Zu verschiedenen Ideen laufen bereits Pilotprojekte. Das Bundesamt für Strassen (Astra) und die Vereinigung der Strassenverkehrsämter (Asa) etwa möchten einen elektronischen Führerausweis lancieren. Die Bundeskanzlei überprüft die Machbarkeit eines neuen elektronischen Ausweises für Mitarbeitende des Bundes. Erste Ergebnisse hierzu sollen laut Keller-Sutter Ende Jahr vorliegen.
Das Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise (E-ID-Gesetz) wird laut Keller-Sutter frühestens per 2025 in Kraft treten. «Wir hoffen, dass es beim zweiten Anlauf gelingt.» Je länger das Projekt dauere, desto weiter sei es von der technologischen Realität entfernt.
Kritik von der Piratenpartei
Selbst die Gegner des alten E-ID-Gesetzes wollen allerdings eine rasche neue Lösung. Alle Fraktionen der Bundesversammlung reichten entsprechende Vorstösse ein. «Die Verwaltung will nun demonstrieren, dass der Bund in der Lage ist, digitale Schlüsselprojekte erfolgreich umzusetzen», sagte Schöll.
Die ersten Hürden hat das neue E-ID-Projekt bereits genommen. Im vergangenen Jahr führte der Bund eine öffentliche Konsultation durch. Dazu gingen rund sechzig Stellungnahmen ein.
Die ersten Reaktionen am Mittwoch zeigten eine breite Zufriedenheit. Nur die Piratenpartei kritisiert die Vorlage. Sie fordert «einen klar eingegrenzten Einsatzrahmen für die E-ID». Im vorliegenden E-ID-Gesetz werde erneut die Datensammelwut des Staates ausgelebt.
(sda/ske)