Zum Erhalt ihrer hohen Lebensqualität muss die Schweiz das Bevölkerungswachstum senken und die Zuwanderung lenken. Doch alle bisher dafür erwogenen Massnahmen verletzen die Personenfreizügigkeit. Wie also kann die Zuwanderung EU-kompatibel gesenkt werden? Dafür müssen staatliche Lasten, die stark Schweizerinnen und Schweizer treffen, gerechter verteilt und staatliche Leistungen, die langjährigen Einwohnerinnen und Einwohnern nützen, erhöht werden. Darauf zielt der von Fabian Kuhn und mir vertretene Vorschlag. Er senkt und lenkt die Zuwanderung durch strikte Gleichbehandlung sowie mehr Geschlechter- und Chancengleichheit.
Die gewichtigste Schweizer Steuer ist die Wehrpflicht. Sie verpflichtet junge Schweizer Männer zu 245 Tagen Dienst – was gut einem Arbeitsjahr entspricht. So haben sie weniger Zeit für Erwerbsarbeit und Ausbildung und danach weniger Berufserfahrung und so ein tieferes Einkommen. Unter Berücksichtigung von Erwerbsersatz und Sold erleiden sie netto Einkommensverluste von 50’000 bis 80’000 Franken. Wir empfehlen zweierlei:
Erstens sollen alle Menschen, die durch Volljährigkeit oder Zuwanderung ins Erwachsenenleben in der Schweiz eintreten, einen «Gesellschaftsbeitrag» von 50’000 Franken leisten – durch gemeinnützige Arbeit, Milizmilitärdienst oder einen finanziellen Beitrag während fünf Jahren. Ausländer können den Militärdienst nach ihrer Einbürgerung unter Rückerstattung ihrer finanziellen Beiträge leisten.
Der Gastautor
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor von Crema – Center for Research in Economics, Management and the Arts.
Zweitens soll der Staat jedem Kind ein Grundkapital aufbauen, indem er ihm für jedes in der Schweiz verbrachte Jahr 3000 Franken auf ein Grundkapitalkonto gutschreibt und verzinst. So kämen Volljährige auf ein Kapital von rund 65’000 Franken. Junge Erwachsene, die ihren Gesellschaftsbeitrag als Arbeit oder Militärdienst leisten, hätten so ein frei verfügbares Kapital von 65’000 Franken, die anderen 15’000 Franken.
Aus der Pflichtmilizarmee würde eine viel effizientere Wahlpflichtmilizarmee. Die Beitragspflichtigen müssten wählen, ob sie ihren Gesellschaftsbeitrag durch Militärdienst, gemeinnützige Arbeit oder Geld leisten wollen, und die Armee könnte die geeignetsten Freiwilligen aussuchen. Sie wären viel motivierter und leistungsfähiger und könnten während Jahrzehnten Dienst leisten, was die Kosten senkt. Dank der langen Verweildauer bräuchte es pro Jahrgang nur wenige Freiwillige. Die grössere Altersdurchmischung steigert die Robustheit und Kampfkraft der Truppe, den Wissensfluss in die Armee, den Wert der Netzwerke und die Attraktivität des Dienstes. Schliesslich würden die grossen Einsparungen und die weiterlaufenden EO-Lohnprozente helfen, die Langzeitfreiwilligen angemessen zu entschädigen und die Armee umfassend auszurüsten.
Für das Grundkapital müssten jährlich vier bis fünf Milliarden Franken aufgewendet werden. Die jährlichen Einnahmen aus dem Gesellschaftsbeitrag in Form von Arbeit, Geld und Wehrdienst würden bei einer Halbierung der Nettozuwanderung immer noch über sieben Milliarden Franken betragen. Somit bringt der Vorschlag der Allgemeinheit grosse Mehrerträge. Und er kann sofort umgesetzt werden, indem allen heute in der Schweiz lebenden Kindern unabhängig von ihrer bisherigen Aufenthaltszeit rückwirkend Grundkapitalbeiträge ab Geburt gutgeschrieben werden.