Das Parlament hat in der aktuellen Lage fast nichts mehr zu sagen. Für Notmassnahmen ist der Bundesrat alleine verantwortlich. So steht es in der Verfassung. Dies gilt auch für wirtschaftliche Notkredite, beispielsweise den diskutierten 20-Milliardenfonds für Bürgschaften an Banken für notleidende Kredite überschuldeter KMU («Handelszeitung» vom Freitag). 

Doch ganz frei ist der Bundesrat nicht. Er braucht für jeden Notkredit die Bewilligung der Finanzdelegation (Findel). Die Findel besteht aus sechs der gewählten 246 Parlamentarier.

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Es sind dies Peter Hegglin (Präsident, aus Zug, CVP), Pirmin Schwander (Vize, aus Schwyz, SVP), Jean-Paul Gschwind (CVP/Jura), Thomas Hefti (FDP/Glarus), Eva Herzog (SP/Basel Stadt) und Ursula Schneider Schüttel (SP/Freiburg).

Diese tragen also eine besondere Verantwortung, denn sie müssen innert Tagen und manchmal innert Stunden einen finanziellen Entscheid von erheblicher Tragweite fällen. Sie tun dies im Geheimen.

Die Findel steht auf Abruf, bestätigt Präsident Peter Hegglin gegenüber der «Handelszeitung» am Mittwoch. Sie werde voraussichtlich vom Freitag bis Sonntag über die Beschlüsse des Bundesrates befinden und am Montag die Öffentlichkeit informieren.

Die Findel hat aber an sich keine Pflicht, Entscheide zu kommunizieren. «Die Findel informiert die Öffentlichkeit nach Bedarf», steht lapidar in ihrem Reglement. Aber seit dem Bundesratsentscheid vom Montag ist klar, dass es dazu kommt. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sagte: «10 Milliarden wurden am Freitag bereitgestellt. Es wird noch mehr werden». Seco-Chefin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch ergänzte: «Es gibt noch Fälle, die nicht abgedeckt sind. Wir sind auf Hochdruck, am Suchen nach Lösungen.» Sie sagte, dass auch Banken mit in der Pflicht stünden.

Zuletzt musste die Findel vor zwölf Jahren dringlich handeln: Es ging um die Rettung der UBS. Der Notkredit betrug sechs Milliarden Franken und sie musste innert Stunden entscheiden.

Wie lange sich der Bundesrat Zeit nehmen darf, bis er die Findel informiert, ist nicht geregelt. Im Reglement heisst es bloss, er müsse sie «unaufgefordert und so früh als möglich über Ereignisse» informieren. Laut Hegglin wird er die Findel diesmal am Freitag nach der Bundesratssitzung über die dringlichen Finanzbeschlüsse der Regierung ins Bild setzen.

Eva Herzog, Regierungsraetin des Kantons Basel-Stadt und Vorsteherin des Finanzdepartementes, fotografiert in Basel, am Donnerstag, 4. Januar 2018. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Die frühere Basler Finanzdirektorin und jetzige Ständeratin Eva Herzog (SP) entscheidet als Mitglied der Finanzdelegation über Milliardenkredite des Bundes.

Quelle: © KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS

Mitte-Links im Übergewicht

 

Derzeit sind zwei CVPler, zwei SP-ler und je ein FDP-ler und SVP-ler in der Delegation. Mitte-Links ist also im Übergewicht vertreten im Vergleich zur Zusammensetzung im Parlament. Dies lässt eher staatsfreundliche Entscheide erwarten, als wenn das Gremium durch strammbürgerliche Politiker besetzt wäre. Zu diesem Lager kann einzig Findel-Vizepräsident und SVP-Nationalrat Pirmin Schwander gezählt werden.

Nationalrat, Kanton Schwyz, SVP, Vizepräsident der Finanzdelegation

Pirmin Schwander, Vizepräsident der Finanzdelegation des Parlaments, SVP, Nationalrat, Kanton Schwyz

Quelle: parlament.ch

Mit Peter Hegglin und der Eva Herzog sind zwei ehemalige Regierungsräte und Finanzdirektoren dabei. Sie dürften die Perspektive der Kantone hineintragen und kennen die Bundesfinanzen aus dem Effeff, weil sie in der Steuerungsgruppe des Bundes zur Unternehmenssteuerreform eine führende Rolle spielten.

 

Bürgerliche warnen vor staatlichem Aktivismus

 

Auffallend ist: Bürgerliche Parlamentarier warnen im Hintergrund dringlich vor Schnellschüssen. «Die Krise könnte gut bis Ende Mai dauern. Soll der Bund wirklich alle Löhne der von Coronavirus betroffenen Branchen zahlen? Dies könnte sehr schnell sehr ins Geld gehen», sagt ein SVP-Parlamentarier, der namentlich nicht zitiert sein will.

Der Bund müsse mit Zusagen vorsichtig sein. Auch FDP-Politiker äussern sich ebenfalls so, dass eine Soforthilfe über die Entschädigungen von angeordneter Kurzarbeit vorerst genügen müsse. «Wir müssen das Schlimmste abwarten und dann entscheiden», sagt ein FDP-Ständerat.

 

Lösung für Stundenlöhner nicht vor Juni?

 

Linke Parlamentarier wiederum drängen darauf, dass der Bundesrat für temporär Angestellte, für Angestellte im Stundenlohn und für selbstständig Erwerbende mit grossen Ertragsausfällen, rasch eine Lösung findet. Diese Gruppen haben derzeit kein Recht auf die von Bürgerlichen propagierte Kurzarbeitsentschädigung.

SP-Nationalrätin und Unternehmerin Jacqueline Badran (ZH) schätzt diese Gruppe «auf eine Million Personen». Sie dürfe man jetzt nicht hängen lassen.

Dafür müsste das Gesetz dringlich geändert werden. Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat letzten Freitag versprochen, bis Ende dieser Woche eine Vorlage auszuarbeiten. Sie müsste dann, im Eilverfahren, trotzdem durchs Parlament. Der Nationalrat aber plant frühestens Anfang Mai zusammenzutreten.

Der Ständerat hat noch keinen Ersatztermin beschlossen. Ein Gesetz dürfte im besten Fall ab 1. Juni in Kraft treten. Ausser, der Bundesrat würde auch hier eine Notverordnung und einen Kredit erlassen – mit Bewilligung der sechsköpfigen Findel.