Emmanuel Macron setzt am Donnerstag seinen zweitägigen Staatsbesuch in der Schweiz fort. Der französische Präsident wird zusammen mit Bundespräsident Alain Berset in Lausanne erwartet, um an der dortigen Universität über Europa zu sprechen und anschliessend im CERN bei Genf über Wissenschaft. Am dortigen Forschungsinstitut wird unter anderm wird mit Hilfe grosser Teilchenbeschleuniger der Aufbau der Materie erforscht.
Nach einem Besuch der Jean-Monnet-Stiftung auf dem Campus der Universität Lausanne wird Macron im Auditorium Amphimax an der Seite von Berset einen Vortrag über die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen für Europa halten.
Der Franzose Jean Monnet gilt als Wegbereiter der europäischen Einigung und als einer der Väter der heutigen Europäischen Union. Die gleichnamige Stiftung mit seinem persönlichen Archiv hatte er 1978 gegründet.
Emmanuel Macrons zweitägiger Staatsbesuch in der Schweiz
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron besucht zusammen mit seiner Frau Brigitte Macron am Mittwoch für zwei Tage die Schweiz. Das Programm beginnt mit einer Militärparade um 14 Uhr in Bern. Der Gesamtbundesrat wird ihm die Ehre erweisen. Danach folgen politische Gespräche zu wichtigen Themen, etwa zur Rolle der Europäischen Union und dazu, wie stark die Schweiz sich integrieren sollte und könnte. Die genaue Themenagenda ist geheim.
Am Donnerstag hält Marcon in Lausanne an der Uni eine Rede und besucht später in Genf den physikalischen Teilchenbeschleuniger des Cern (Conseil Européan pour la Recherche Nucléaire), der halb auf französischem Boden liegt.
Die «Handelszeitung» beleuchtet die wichtigsten fünf Themen, die in Bern zur Sprache kommen dürften:
- EU-Politik: Der Präsident wird der Schweiz in Brüssel trotzdem nicht helfen
- Der Arbeitsmarkt der Grenzgänger: Macron hätte allen Grund in Bern zu intervenieren
- Energiesicherheit: Bundesrat Rösti kämpft mit den ungeplanten Stromflüssen aus Frankreich
- Steuerhinterziehung: Das Pariser UBS-Urteil wird in die Berner Militärparade platzen
- Erbschaftssteuerabkommen: Französische Gier nach Steuern beschäftigt Bundesrätin Keller-Sutter
An der Universität Lausanne wird der französische Präsident vom Waadtländer Bildungsminister Frédéric Borloz, dem Stadtpräsidenten von Lausanne Grégoire Junod, dem Universitäts-Rektor Frédéric Herman und der Präsidentin von swissuniversities Luciana Vaccaro empfangen.
Bereits angekündigt wurden in sozialen Netzwerken Proteste von Studierenden. Aus Sicherheitsgründen soll das Gelände deshalb weiträumig abgeriegelt werden.
Am Mittag werden Macron und Berset im Hotel Beau-Rivage Palace am Genfersee essen gehen, wo sie auch mit Wirtschaftsvertretern zusammentreffen. Ein Sonderzug wird die beiden danach zum Flughafen Genf bringen. Von dort aus werden sie zum Forschungszentrum CERN (Organisation européenne pour la recherche nucléaire) in Meyrin fahren, wo sie unter anderem vom Genfer Regierungspräsidenten Antonio Hodgers erwartet werden.
Geplant sind ein Besuch des Large Hadron Collider (LHC), des weltweit grössten Teilchenbeschleunigers sowie eine Diskussion mit jungen Forschern aus der Schweiz und Frankreich.
Laut dem offiziellen Programm werden Macron und seine Frau Brigitte am Donnerstag um 17.30 Uhr mit dem Präsidentenflugzeug Genf Richtung Paris verlassen.
Treffen auf dem Bundesplatz mit Bundesrat
Bundespräsident Berset hatte nach einem ersten Austausch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Bern die Nähe der Schweiz zu Europa betont. Macron wiederum forderte die Schweiz auf, ihre Beziehungen zur EU zu klären.
Am Mittwoch empfing der Gesamtbundesrat auf dem Bundesplatz das französische Staatsoberhaupt mit militärischen Ehren. Macron, Berset und ihre beiden Ehefrauen nahmen sich viel Zeit, um die Mitglieder des Bundesrates sowie zahlreiche weitere Personen vor dem Bundeshaus zu begrüssen, bevor sie auf dem roten Teppich über den Bundesplatz schritten.
Nach dem Abspielen der Nationalhymnen nahmen Berset, Macron und die Präsidentengattinnen ein Bad in der Menge der rund tausend Schaulustigen hinter den Absperrungen. Das Bundeshaus selbst war für den Empfang mit allen Kantonswappen geschmückt, und auf dem Bundesplatz wehte neben der Schweizer und der französischen auch die EU-Flagge.
«Wir haben stabile Beziehungen mit der EU»
Vor den Medien sagte Berset später an der Seite Macrons: «Wir haben stabile Beziehungen mit der EU.» Die Ausarbeitung eines Verhandlungsmandates sei eine wichtige Etappe auf dem Weg zu einem Ausbau der bilateralen Beziehungen. Frankreich sei diesbezüglich ein wichtiger Ansprechpartner für die Schweiz, so Berset.
Er lobte auch die von Macron 2022 initiierte Europäische Politische Gemeinschaft (EPG). Dieses Forum soll den politischen Dialog und die Zusammenarbeit auf dem europäischen Kontinent fördern. "Es ist wichtig für uns, dass wir uns in diesem Rahmen informell austauschen können", sagte Berset. Künftig solle die EPG auch einen Gipfel in der Schweiz durchführen.
Neben der Europapolitik wurden laut Berset zahlreiche weitere Themen mit Macron angeschnitten, unter anderem der Klimawandel. Im Anschluss an die offiziellen Gespräche wurden Absichtserklärungen zum Austausch von Studierenden und zur Zusammenarbeit bei der Forschung über Gletscher und Pole unterzeichnet.
Gemeinsame Werte
Beide Seiten hätten die tiefen Wurzeln der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich gewürdigt, hiess es in einer Mitteilung des Bundesrates. Diese seien verbrieft unter anderem durch den 1516 geschlossenen Ewigen Frieden und immer wieder erneuert durch enge Kontakte auf allen Ebenen.
«Es gibt mehr Krisen, Autoritarismus, Ungleichheit, Rassismus und Antisemitismus», sagte Berset vor den Medien. Im Gespräch der beiden Delegationen sei ersichtlich geworden, dass die Schweiz und Frankreich viele gemeinsame Werte und gemeinsame Themen teilten.
Berset bezeichnete Frankreich als «einen der wichtigsten Partner der Schweiz». 210'000 Schweizerinnen und Schweizer lebten in Frankreich, 163'000 Französinnen und Franzosen in der Schweiz. Zusätzlich kämen 2,2 Millionen Franzosen in die Schweiz, um zu arbeiten.
Zuvor hatte Macron die Schweiz in der Wandelhalle des Bundeshauses in seiner Ansprache gelobt. Frankreich und die Schweiz seien mehr als Nachbarn, sie seien Freunde, gleichsam Cousins. Beide Länder hätten ein gemeinsames Erbe zu verteidigen. Die Gebiete der Zusammenarbeit seien vielfältig.
Macron: Beziehung zur EU klären
Für die Schweiz sei es aber essenziell, ihre Beziehungen zur EU zu klären, mahnte Macron. Ein Schlüsselmoment sei gekommen, und die Verhandlungen mit der EU müssten zum Erfolg führen. Frankreich unterstütze die EU-Kommission in ihren Absichten, auch wegen Forschung und Wirtschaft.
Er respektiere die Schweizer Neutralität in der Frage der verweigerten Wiederausfuhr von Kriegsmaterial zugunsten der Ukraine, sagte Macron. Gleichzeitig gab er seiner Hoffnung auf eine verstärkte Verteidigungskooperation der Schweiz mit der Nato Ausdruck.
(sda/dob)