Die Ukraine hat russische Angriffe aus verschiedenen Richtungen gemeldet. Bis um 12.00 Uhr (MEZ) am Donnerstag habe Russland mehr als 30 Attacken mit Flugzeugen, Artillerie und Marschflugkörpern «auf ukrainische zivile und militärische Infrastruktur» ausgeübt, teilte der ukrainische Generalstab mit. Unabhängig überprüfen liessen sich diese Angaben zunächst nicht.

Im Gebiet Tschernihiw, das im Nordwesten an Belarus grenzt, sei der Feind gestoppt worden, hiess es vom Generalstab weiter. «Heftige Kämpfe gehen in Richtung Charkiw weiter.» Die Grossstadt Charkiw liegt im Osten unweit der russischen Grenze. Mariupol am Asowschen Meer sei «unter volle Kontrolle zurückgebracht worden».

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Mit Blick auf den Süden des Landes teilte das Militär mit: «In Cherson ist die Situation schwierig.» Die russische Armee starte auch Offensiven von der 2014 von Russland einverleibten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim in Richtung Cherson und Melitopol. Die Rede war zudem von «Sabotage- und Aufklärungsgruppen» im Schwarzen Meer.

Zuvor hatte bereits Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg von russischen Angriffen aus verschiedenen Richtungen mit Luft- und Raketenangriffen, Bodentruppen und Spezialkräften gsprochen.

Moskau wiederum hatte betont, keine Flugzeuge, Raketen oder Artillerie gegen ukrainische Städte einzusetzen, sondern lediglich gegen militärische Infrastruktur, Luftverteidigung und Flugplätze der ukrainischen Luftwaffe vorzugehen. Auch diese Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Der Kreml liess die Frage, bis wohin russische Soldaten vorrücken wollten, zunächst unbeantwortet.

Tote und Verletzte

In der Stadt Browary nahe der Hauptstadt Kiew habe es mindestens sechs Tote und zwölf Verletzte gegeben, hiess es am Donnerstagnachmittag aus der Stadtverwaltung.Im Südosten der Ukraine nahe der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer kamen offiziellen Angaben zufolge acht Männer und zehn Frauen ums Leben. Der Luftangriff auf eine Militärbasis ereignete sich demnach im Dorf Lypezke.

Dazu haben russische Truppen einen Flugplatz nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew angegriffen. Dabei seien mindestens drei russische Hubschrauber abgeschossen worden, teilte das ukrainische Verteidigungsministerium am Donnerstag mit. Der Flugplatz Hostomel liegt rund 30 Kilometer nordwestlich des Zentrums der ukrainischen Hauptstadt.

Für Meldungen, dass russische Truppen den Airport eingenommen haben, gab es zunächst keine unabhängige Bestätigung. Der Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Heraschtschenko, teilte auf Facebook Videos von angeblich abgeschossenen russischen Hubschraubern.

Nato bringt sich in Stellung

Die Nato will nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zusätzliche Massnahmen für eine stärkere Abschreckung ergreifen. Mehr als 100 Kampfflugzeuge seien in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag in Brüssel. «Wir müssen mit neuer Entschlossenheit und noch stärkerer Einheit reagieren», kündigte der Norweger auf einer Pressekonferenz nach einem Krisentreffen der Nato-Botschafter an.

Die Truppen an der Ostflanke des Bündnisses sollen zudem verstärkt werden. «In den kommenden Tagen und Wochen werden noch mehr (Soldaten) kommen», sagte er zu Reportern. In die Ukraine, das dem Militärbündnis nicht angehört, sollen dagegen keine Truppen entsandt werden. «Wir haben keine Pläne, Nato-Truppen in die Ukraine zu schicken», so Stoltenberg. «Wir tun etwas Defensives.» Die Nato aktivierte auch ihre Verteidigungspläne, um schnellere Truppenbewegungen zu ermöglichen.

Krisensitzung geplant

Für diesen Freitag wurde zudem einen Dringlichkeitsgipfel der 30 Mitgliedsstaaten einberufen. Die Staats- und Regierungschefs sollen virtuell zusammengeschaltet werden, darunter auch die der Nichtmitglieder von Schweden und Finnland sowie Vertreter der EU-Institutionen. «Der Frieden auf unserem Kontinent ist erschüttert», sagte Stoltenberg. "Russland versucht, mit Gewalt die Geschichte umzuschreiben und der Ukraine ihren freien und unabhängigen Weg zu verwehren."

Das Bündnis hatte zuvor in einer Erklärung nach einem Treffen der Botschafter in Brüssel erklärt, «zusätzliche Schritte zu unternehmen, um die Abschreckung und Verteidigung im gesamten Bündnis weiter zu stärken», wie es hiess. «Unsere Massnahmen sind und bleiben präventiv, verhältnismäßig und nicht eskalierend.»

Kreml zu Einmarsch in Ukraine: «Niemand spricht von Besetzung»

Nach dem Einmarsch in die Ukraine hat der Kreml zurückgewiesen, das Nachbarland besetzen zu wollen. «Niemand spricht über eine Besetzung. Und in diesem Fall ist dieses Wort hier nicht anwendbar», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge.

Wie lange russische Soldaten im Donbass bleiben, werde Präsident Wladimir Putin entscheiden. Auf die Frage, wie weit russische Truppen in der Ukraine vorrücken wollten, sagte Peskow: «Ich kann Ihnen keine Information zu militärischen, technischen und anderen Komponenten dieser Operation geben.»

Ziel sei eine «Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine», so der Kremlsprecher. «Das bedeutet die Neutralisierung des Militärpotenzials, das in letzter Zeit auch dank der energischen Aktivität des Auslands erheblich gewachsen ist.»

EU wollen umgehend Sanktionen beschliessen

Die Spitzen der EU haben ein scharfes Sanktionspaket gegen Russland angekündigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Donnerstag, dass man russisches Vermögen in der EU einfrieren und russischen Banken den Zugang zu Finanzmärkten abschneiden werde.

«Die EU wird das härtestes Sanktionspaket beschliessen, dass sie je beschlossen hat», sagte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell. Beide betonten, dass die EU zudem die Ukraine weiter unterstützen werde. "Wir stehen an der Seite der Ukraine", sagte Borrell. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs treffen noch am Abend zu einem Sondergipfel zusammen. 

(reuters/sda/tdr)