«In ein bis zwei Jahren werden die USA Deutschland als Exportland überholen», sagt Naville im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Die jüngste Entwicklung werde sich fortsetzen, denn in Europa dürfte die Lage wegen des Brexit schwieriger werden und speziell in Deutschland lahme der Wirtschaftsmotor.
Von Januar bis Oktober legten die Schweizer Exporte in die USA um 11,6 Prozent zu, während jene nach Deutschland lediglich um 1,9 Prozent wuchsen. Mit knapp 35 Milliarden Franken liegt der Wert der Ausfuhren in die USA nur noch um knapp 3 Milliarden tiefer als die Ausfuhren nach Deutschland.
Das Wachstum der Exporte nach Amerika ist seit geraumer Zeit kräftiger als jenes nach Deutschland. Letztmals schwächer war die Dynamik im Jahre 2011. Damals waren die Ausfuhren in die USA mit 20 Milliarden Franken erst halb so gross wie jene nach Deutschland (39,9 Milliarden Franken).
Auch die Handelskonflikte der USA mit China und der EU dürften diese Entwicklung nicht stoppen, sagte Naville, auch wenn die Schweizer Exporte in die Vereinigten Staaten durch die schwache amerikanische Autoindustrie gebremst werden dürften. «Das Wachstum wird nicht mehr zweistellig sein, aber ich erwarte immer noch ein gutes Wachstum im höheren einstelligen Bereich», sagte Naville.
Pharmaexporte in USA boomen
Die Aufholjagd der USA ist vor allem dem steilen Wachstum der Chemie- und Pharmabranche zu verdanken. Seit 2011 kletterten die Gesamtexporte in die USA um 17,9 Milliarden Franken. Davon stammten 13,6 Milliarden von der Chemie- und Pharmabranche.
Gleichzeitig wuchsen die Gesamtexporte nach Deutschland nur um 4,1 Milliarden und dies, obwohl die Chemie- und Pharmaexporte nach Deutschland seit 2011 um 5,4 Milliarden Franken stiegen.
Auch die anderen grossen Exportbranchen zeigten in Amerika ein höheres Wachstum als in Deutschland. So kletterten die Uhrenausfuhren in die USA um 2,2 Milliarden Franken, während sie nach Deutschland nur um 659 Millionen Franken zunahmen. Die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie erlitt im Deutschland-Geschäft gar ein Minus 725 Millionen Franken, während sie in die USA um 824 Millionen Franken zulegte.
Abkommen «extrem wichtig»
Der Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Washington wäre für die Schweiz aber so oder so extrem wichtig und würde der Schweiz mehr Stabilität bringen, sagte Naville: «Wir haben nämlich aktuell kein passendes Instrument, um uns gegen Zölle zu wehren.»
Ausserdem würde die Schweiz dann nicht gegenüber anderen Ländern diskriminiert werden, die bereits ein Freihandelsabkommen mit den USA haben. «Und wir können letztendlich mehr Geschäfte machen», sagte Naville.
Laut einer Studie der Denkfabrik Avenir Suisse dürfte der Warenaustausch zwischen beiden Ländern mit einem Freihandelsabkommen um über 14 Milliarden Franken wachsen. Dabei würden über 40'000 Stellen geschaffen, davon 13'500 in der Schweiz. Im Idealfall würden die Verhandlungen im 2021 laufen. «In einem optimistischen Szenario wäre mit einem Abschluss 2022 und einer Ratifikation 2023/2024 zu rechnen. Es kann aber auch viel länger dauern», sagte Naville.
Schweiz bereit für Vorverhandlungen
Die Schweiz ist bereit, Vorverhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA aufzunehmen. Dies hatte Wirtschaftsminister Guy Parmelin Ende Oktober nach einem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Wilbur Ross in Washington gesagt. Allerdings sei das US-Handelsministerium gegenwärtig mit den Verhandlungen mit anderen Staaten überlastet, habe Ross geantwortet.
Ein solches Abkommen ist allerdings hierzulande umstritten. Vor allem die Bauern stemmen sich gegen eine Marktöffnung. Bereits 2006 war der Versuch eines Freihandelsabkommens mit den USA am Widerstand der Bauernlobby gescheitert.
(awp/tdr)