Nach der innenpolitischen Diskussion verfüge die Regierung gegenüber der EU über ein stärkeres Mandat als je zuvor.
Die Kommentatoren begrüssen den klaren Entscheid des Bundesrats vom Freitag. Die Schweiz "hat endlich definiert, was sie will, was sie nicht will, und sie scheint bereit, daraus die Konsequenzen zu tragen", schreiben die Westschweizer Tamedia-Zeitungen. Demnach stellt sich die Landesregierung im Grundsatz hinter den mit der EU ausgehandelten Rahmenvertrag, verlangt aber Präzisierungen zur Unionsbürgerrichtlinie, zu den staatlichen Beihilfen und eine juristische Absicherung des Lohnschutzes.
"Endlich hat der Bundesrat einen Plan, nachdem er monatelang orientierungslos gewirkt hat", schreibt die Neue Zürcher Zeitung. "Endlich hat der Bundesrat eine Haltung", heisst es im Blick. Und auch der Kommentator der Deutschschweizer Tamedia-Zeitungen pflichtet bei: "Endlich hat der Bundesrat den Reset-Knopf gefunden." Schritt für Schritt scheine es dem Bundesrat nun zu gelingen, die Reihen für eine tragfähige europapolitische Allianz zu schliessen.
Verdienst von neuer Bundesrätin
"Der Bundesrat hat den bestmöglichen und realistischsten Entscheid getroffen", schreibt La Liberté. Der Bundesrat sei sechs Monate lang wegen mangelnder Entschlossenheit kritisiert worden, als er es vorgezogen habe, abzuwarten und das ausgehandelte Abkommen vor einer Stellungnahme erst den Parteien zur Konsultation vorzulegen. "Das Ergebnis gibt ihm Recht."
Die Kommentatorin von CH Media analysiert nüchtern: "Der Bundesrat ist so weit wie vor einem Jahr." Wie genau der Schweizer Lohnschutz garantiert und gleichzeitig EU-kompatibel gemacht werden solle, sei noch immer unklar. "Die Neuigkeit ist: Die Sozialpartner reden wieder miteinander und dem Bundesrat. Sie zeigen sich gewillt, eine Lösung zu finden, und die Gewerkschaften geben sich im Ton konzilianter."
Dies ist mehreren Zeitungen zufolge besonders das Verdienst der neuen Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP), die Gestaltungswillen zeige und unter anderem auch die Sozialpartnerschaft wieder stärken wolle. Die für eine Lösung nötige Flexibilität traut Le Temps auch dem neuen Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Pierre-Yves Maillard, zu.
Stolpersteine bleiben
Auf dem Weg zu einem Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU bleiben Stolpersteine. Dazu zählt die Presse hauptsächlich den Lohnschutz und damit die Kontrollen ausländischer Arbeitnehmer in der Schweiz. "Die Wunschliste ist so klein und ist so klar formuliert, dass Präzisierungen drinliegen sollten", schreibt die NZZ zwar. Gleichzeit betont die Zeitung, dass die Gewerkschaftsfunktionäre immer noch wenig kompromissbereit seien. "Klammern sie sich weiter an die roten Linien, ist der Rahmenvertrag wohl gestorben."
Mit etwas diplomatischem Geschick jedoch könnten die Nachbesserungen über Zusatzprotokolle, Erklärungen oder Präzisierungen gewährleistet werden, die auch bei den Schweizer Stimmbürgern Anklang finden, schreibt auch der Blick. Er sieht die Position des Bundesrats gegenüber der EU gestärkt. Nach der Konsultation im Inland sei der Bundesrat jetzt bedeutend stärker legitimiert, in Brüssel zu sagen: "In der vorliegenden Form hat das Abkommen keine Chance, weil das Volk nicht dahintersteht."
(sda)