Das Stimmvolk entscheidet am 21. Mai über das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050. Der Bundesrat und das Parlament wollen den Energieverbrauch senken, die Energieeffizienz erhöhen und die erneuerbaren Energien stärker fördern. Die Energiemärkte seien weltweit im Umbruch, sagte Leuthard am Dienstag vor den Medien in Bern. Die Energieversorgung werde sich so oder so ändern. Der Bau neuer Atomkraftwerke sei allein schon aus wirtschaftlichen Gründen keine Option mehr. «Also müssen wir uns auf den Weg machen», sagte die Energieministerin.
Dabei gelte es, pragmatisch und schrittweise vorzugehen. Mit einer Reform könnten nicht sämtliche Probleme gelöst werden, das treffe für die Energieversorgung ebenso zu wie für die AHV. Das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 setze auf bestehende, bewährte Instrumente und basiere auf dem aktuellen Stand der Technik.
Technologischer Fortschritt
Für die fernere Zukunft setzt Leuthard auch auf die technologische Entwicklung. Weitere Massnahmen würden folgen, sagte Leuthard an die Adresse der Kritiker. Es wäre aber vermessen, bereits jetzt den gesamten Prozess festlegen und vorwegnehmen zu wollen, wie sich die Welt bis 2050 entwickle.
Die Energieministerin zeigte sich erstaunt darüber, dass «ausgerechnet» ein Teil der Wirtschaft nicht an Innovationen glaube. Für das Problem der Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien etwa gebe es bereits Lösungen. Diese genügten zwar noch nicht, doch würden laufend Fortschritte erzielt.
Falsche Zahlen, keine Alternativen
Das Kosten-Argument der Gegner wies Leuthard ebenfalls zurück. Die Kritiker operierten mit «völlig überzogenen Zahlen», sagte sie. Sie berechneten die Kosten auf Basis von Massnahmen, die weder beschlossen noch mehrheitsfähig seien.
Weiter warf Leuthard den Kritikern vor, keine schlüssigen Alternativen zu präsentieren. Solle der wegfallende Atomstrom vollständig durch inländische Produktion ersetzt werden, sei das nur durch den Bau neuer Atomkraftwerke oder grosser Gaskraftwerke möglich. Auch für letztere fänden sich aber heute keine Investoren. Ausserdem bestehe ein Konflikt mit den Klimazielen. Es sei sinnvoller, in erneuerbare Energien zu investieren.
Erneuerbare Energien stärken
Bei einem Ja am 21. Mai würde zur Förderung erneuerbarer Energien wie Wasser, Sonne, Wind, Geothermie und Biomasse mehr Geld zur Verfügung stehen. Der Netzzuschlag soll von 1,5 auf 2,3 Rappen pro Kilowattstunde steigen, was einen Haushalt mit vier Personen pro Jahr rund 40 Franken kosten würde. Ein Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von 150'000 Kilowattstunden müsste im Jahr rund 1200 Franken mehr bezahlen.
Das Fördersystem soll ausserdem marktnäher ausgestaltet werden. Betreiber von Anlagen ab einer gewissen Grösse müssen ihren Strom selbst vermarkten. Zudem hat das Parlament die Fördermassnahmen befristet. Neue Zusagen für Einspeisevergütungen dürfen nur noch bis Ende 2022 erfolgen. 120 Millionen Franken oder ein Viertel der zusätzlichen Fördergelder kämen bestehenden Grosswasserkraftwerken zugute.
Energieverbrauch senken
Ebenso wichtig wie die Förderung der erneuerbaren Energien sei die Senkung des Verbrauchs, betonte Leuthard. Sie wies auf die Wirkung bisheriger Massnahmen hin. So sei der Pro-Kopf-Verbrauch seit dem Jahr 2000 bereits um 14,5 Prozent zurückgegangen.
Wichtig für einen geringeren Verbrauch ist das Gebäudeprogramm. Bei einem Nein in der Abstimmung würde dieses Ende 2019 auslaufen, bei einem Ja gäbe es weiterhin finanzielle Unterstützung für die energetische Sanierung. Zudem würden die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten erweitert. Im Verkehr und bei den Elektrogeräten soll der Verbrauch wie bisher durch kontinuierlich verschärfte technische Vorschriften gesenkt werden.
Keine neuen AKW
Darüber hinaus würde mit dem ersten Massnahmenpaket der Bau neuer Atomkraftwerke verboten. Die bestehenden Werke dürfen indes so lange laufen, wie sie die Aufsichtsbehörde als sicher erachtet. Den Ausschlag für das Verbot neuer AKW gab die Atomkatastrophe von Fukushima.
Mit der Energiestrategie möchte der Bundesrat laut Leuthard auch die Abhängigkeit vom Ausland reduzieren. Heute werden rund 75 Prozent des Energiebedarfs importiert. Was den Strom betrifft, produziert die Schweiz zwar ungefähr gleich viel wie sie verbraucht. Allerdings ist sie im Winter auf Importe angewiesen.
(sda/ise/me)