Die Schweiz hat ihren ersten Coronavirus-Fall. Ein 70-jähriger Mann aus dem Tessin ist am Dienstag positiv getestet worden. Das sagte Pascal Strupler, Direktor des Bundesamtes für Gesundheit BAG, am Dienstag vor den Medien in Bern.
Der Mann habe am 15. Februar an einer Versammlung in der Gegend von Mailand teilgenommen. Zwei Tage später habe er erste Symptome gezeigt. Der Mann habe sich seither zu Hause aufgehalten. Am Dienstag sei er positiv getestet worden. Nach Angaben von Strupler ist der Patient derzeit in einem Spital isoliert.
Für die Schweizer Gesundheitsbehörden ändert sich trotz des ersten Coronavirus-Falls nichts an der aktuellen Risikoeinschätzung. Das Virus stelle ein moderates Risiko für die Bevölkerung dar, sagte Strupler. Er geht davon aus, dass weitere Fälle in der Schweiz auftreten. Die medizinischen Einrichtungen seien darauf vorbereitet.
Berset: «Erhöhte Bereitschaft»
Bisher haben die Schweizer und Tessiner Behörden trotz der Ausbreitung des Coronavirus im nahen Norditalien nur sanfte Massnahmen beschlossen.
Die Schweiz sei «in erhöhter Bereitschaft», sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Montagnachmittag vor den Bundeshausmedien. In Italien, unweit der Schweizer Grenze, nähmen die Coronavirus-Fälle seit dem Wochenende rasch zu. Damit erhöhe sich das Risiko für die Schweiz. «Der Bundesrat verfolgt die Situation Stunde für Stunde.»
Erst am Vortag hatte Innenminister Alain Berset vermeldet, dass die Massnahmen zur Vorsorge verstärkt würden. Geplant seien zusätzliche Tests und eine breite Infokampagne für die Bevölkerung, ausserdem zusätzliche Informationen an den Grenzübergängen und am Flughafen. Berset sagte lauf Mitteilung: «Der Schutz der Bevölkerung hat oberste Priorität.»
Zuvor hatten die Folgen des Coronavirus bereits an verschiedenen Stellen Wirkung gezeigt in der Schweiz. Online-Händler Galaxus hat als erster Schweizer E-Commerce-Anbieter Konsequenzen aus den Lieferengpässen gezogen und die Preise erhöht. Die Märkte reagieren auf die Ausbreitung der Infektionen und drehten auch am Dienstag ins Minus.
Anzeichen für eine Infektion sind gemäss WHO grippeähnliche Symptome: Atembeschwerden, Atemlosigkeit, Fieber und Husten. In schweren Fällen kann das Virus zu Lungenentzündungen, akuten Atembeschwerden, Nierenversagen oder zum Tod führen.
Zur Vorbeugung empfohlen wird, sich regelmässig die Hände zu waschen, Mund und Nase zu bedecken, wenn man hustet und niest respektive in die Ellenbeuge zu husten und zu niesen sowie sich ausgewogen zu ernähren. Schliesslich lautet der Rat, sich von infizierten Personen mit den erwähnten Symptomen fernzuhalten.
Einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt es noch nicht. Und das dürfte auch noch dauern. Für das Mers-Virus, das 2012 auf der Arabischen Halbinsel entdeckt wurde und das auch zu den Coronaviren gehört, wird ein Impfstoff erst seit 2018 klinisch geprüft. Dank Biotech soll die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Covid-19 rascher vorangehen.
Am Montagnachmittag hatten die Tessiner Behörden an einer Medienkonferenz bekanntgegeben, anders als einige italienische Regionen keine Einschränkungen für öffentliche Veranstaltungen, Schulen, Bar oder Restaurants zu beschliessen. Täglich pendeln fast 68'000 Grenzgänger aus Norditalien ins Tessin.
Derweil breitet sich das Coronavirus in Italien auf immer mehr Regionen aus. Die Zahl der Infizierten stieg bis Dienstagmittag auf rund 280. Die italienische Regierung hat drastische Massnahmen gegen das Virus ergriffen.
Elf Ortschaften, zehn in der Lombardei und eine in Venetien, wurden abgeriegelt. Der Karneval in Venedig wurde abgebrochen, Fussballspiele und andere Grossveranstaltungen wurden abgesagt. Schulen und Universitäten in allen betroffenen Regionen bleiben vorerst geschlossen.
Am Dienstag haben sich die Gesundheitsminister aus Italien, der Schweiz, Deutschland, Slowenien, Frankreich und Österreich in Rom zu Beratungen getroffen. Bundesrat Alain Berset nahm für die Schweiz an dem Treffen teil.
Der weltweit erste Fall des Covid-19 wurde in der zweiten Dezemberhälfte 2019 in China bekannt. Das neue Covid-19-Virus trat erstmals in der zentralchinesischen Millionenstadt Wuhan in Erscheinung. Ende 2019 waren vier Fälle bekannt, am Dienstag zählte man weltweit gegen 80'000 Infizierte. Dies, obwohl die Zahl der Flüge von und nach China drastisch eingeschränkt wurde. Das erste Opfer in Europa starb am 21. Februar in Norditalien.
Covid-19 gehört zur gleichen Erregergruppe wie das Sars- und Mers-Virus. Das neue Virus ist zwar deutlich ansteckender, die Sterberate ist jedoch deutlich tiefer als bei Sars und Mers.
Das grösste Risiko, an Covid-19 zu sterben, haben Menschen über 80 Jahre. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO liegt die Mortalitätsrate in dieser Altersgruppe bei 14,8 Prozent. Patienten mit Herzkrankheiten sind besonders gefährdet, vor den Diabetikern und Personen mit Atemwegserkrankungen und hohem Blutdruck.
Ausserhalb der Provinz Wuhan ist laut WHO nur ein sehr geringer Teil der Bevölkerung von der Krankheit betroffen. Und dieser sehr kleine Teil hat eine Risiko von rund 2 Prozent, daran zu sterben. Bei den unter 39-Jährigen liegt das Sterberisiko bei 0,2 Prozent, darüber nimmt die Sterblichkeitsrate zu.
Vier von fünf von der Krankheit betroffene Patienten leiden an einer gutartigen Ausprägung, wie eine chinesische Studie an 72'000 Personen zeigte. 25'000 von über 79'000 Patienten sind bereits geheilt, wie aus Zahlen der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore hervorgeht. 2663 Personen sind am Covid-19-Virus gestorben.
(me mit sda)