Acht Monate nach dem Schreckenswochenende mit dem CS-Kollaps vom 19. März 2023, das den Finanzplatz erschütterte und die Öffentlichkeit erzürnte, wird die Sicherung der Bankenliquidität wieder aktuell. Denn jetzt muss das Parlament nachholen, was Jahre zuvor versäumt worden war.
Im Gegensatz zum landesüblichen Finma-Bashing steht bei der aktuellen Vorlage das Nationalbankdirektorium im Fokus. Es manifest sich jetzt, dass die CS-Rettung mittels staatlicher Notverordnung nur deshalb nötig wurde, weil die Nationalbank viele Jahre lang die Liquiditätssicherung verschlafen oder verzögert hatte. (Die riskante Notverordnung für die AT1-Bonds ist anders gelagert.)
Bei der Liquiditätssicherung systemrelevanter Banken bestand seit Jahren Handlungsbedarf. Die Schweiz vergammelte die vom «Basler Ausschuss für Bankenaufsicht» in den Regelwerken Basel-III und Basel-IV geforderten Massnahmen. Diese umfassen drei Stufen der Liquiditätssicherung bei systemrelevanten Banken:
1. Stufe: Verstärkte Kapital- und Liquiditätsanforderungen in der Bank selbst.
2. Stufe: Mit einer «Emergency Liquidity Assistance» (ELA) muss die Notenbank des Sitzlandes eine Notfallliquiditätshilfe gegen Hinterlegung von Sicherheiten (soliden Wertpapieren) zur Verfügung stellen. Im Vorfeld des CS-Debakels gewährte die SNB der Credit Suisse zunächst 50, dann 100 Milliarden Franken, was angesichts der enormen Kapitalabflüsse (90 Milliarden Dollar im dritten Quartal 2022) viel zu wenig war.
Der Gastautor
Rudolf Strahm ist ehemaliger Preisüberwacher und Ex-SP-Nationalrat.
3. Stufe: Mit einer staatlichen Liquiditätssicherung auf Vorrat unter dem Titel «Public Liquidity Backstop» (PLB) wird das Rettungssystem wie folgt verstärkt: Wenn die Nationalbank nicht genügend Liquidität vom Typ ELA an die insolvente Bank bereitstellen kann oder will, muss der Staat des Sitzlandes deren Liquiditätshilfe auf Vorrat garantieren. Im Klartext formuliert: Die Bundeskasse respektive die Steuerzahlenden sollen die Garantie und das Risiko für jene Milliarden übernehmen, die die Nationalbank für die Rettung der notleidenden Bank zur Verfügung stellt. Im Falle der CS waren es 200 Milliarden Franken.
Am turbulenten Krisenwochenende vom 19. März 2023 existierte in der Schweiz keine Rechtsgrundlage für einen PLB. Die EU-Länder, England, die USA, Japan, Kanada und weitere hatten längst einen PLB eingerichtet. Nach 2017 wurde auch die SNB darauf aufmerksam gemacht und angemahnt. SNB-Präsident Thomas Jordan reagierte nicht. Sein Lehrbuchdogma von der «Unabhängigkeit der Notenbank» (das alle nachbeten) praktizierte er auch hier. Erst spät, im März 2022, veröffentlichte dann der Bundesrat nach vielen Mahnungen mal erste «Eckpunkte für die Einführung von staatlichen Liquiditätshilfen». Doch dann kam der Kollaps.
Weil es im März 2023 keine Rechtsgrundlage für einen PLB gab, musste der Bund per Notverordnung über Nacht die 200 Milliarden SNB-Liquiditätshilfe an die CS mit dem Bundesvermögen absichern. Die kurzfristig am Wochenende aufgebotene sechsköpfige Finanzdelegation der eidgenössischen Räte wurde richtiggehend überrollt, die verteilten Papiere wurden wieder eingesammelt. Eine reflektierende Debatte war nicht möglich.
Orchestriert wurde die ganze Liquiditätssicherung der CS von Thomas Jordan. Niemand fiel ihm in die Arme, und auch danach hinterfragte niemand die früheren Unterlassungen der SNB. Aus heutiger Sicht ist klar und bestätigt: Die Nationalbank hatte die PLB versäumt, und der Bundesrat hatte nur noch den Ausweg einer Notverordnung.
Die Polit- und Medienszene verharrt in Achtungstellung vor Jordan. Hier zeigte sich erneut das Governance-Defizit eines bloss dreiköpfigen Direktoriums, das keinen Pluralismus zulässt. (Im März bestand es nur aus zwei.) Der von Jordan gepushte Vizepräsident Martin Schlegel war zuvor sein Untergebener und Zögling. Ein hochrangiger Insider sagt, es spiele keine Rolle, wer der Dritte werde, es werde immer ein Zwei-zu-eins-Stimmenverhältnis geben.
Nach dem CS-Debakel hat der Bundesrat im September 2023 eilends eine Gesetzesgrundlage für einen PLB ans Parlament geschickt. Diese Vorlage steckt derzeit in der Kommission des Ständerats.
Die vorgesehene PLB-Vorlage verankert nun gesetzlich eine staatliche Liquiditätsversicherung auf Vorrat für die grossen systemrelevanten Bankhäuser. Eine laufende, jährliche Versicherungsprämie für die Banken ist nicht vorgesehen, bloss eine einmalige Prämie oder ein Zins nach Risikobeanspruchung.
Der Tilburger Finanzprofessor Pascal Böni hat in der «Sonntagszeitung» gegenüber Arthur Rutishauser folgende Rechnung angestellt: Würde für die neue Super-UBS eine ähnliche Rettung wie bei der CS nötig werden, müsste der Bund Liquiditätsgarantien von 700 Milliarden Franken (!) bereitstellen. Für eine solche Staatsversicherung beliefe sich die marktübliche Versicherungsprämie auf 400 Millionen Franken pro Jahr.
So, wie im Bundes-Bern die Entscheidungsmechanismen und Lobbys ablaufen, ist indes allen klar: Diese Prämie und überhaupt das Mass an Regulierung wird für die neue Super-UBS nur so weit realisiert werden, wie sie der Super-CEO Sergio Ermotti gerade noch akzeptiert.