«Wo ist eigentlich das Problem?», höre ich immer wieder. Die Pensionskassen haben Reserven wie Heu, die Umverteilung hat abgenommen, alles funktioniert bestens. Bei vielen Schweizerinnen und Schweizern ist die Begeisterung klein für eine Pensionskassenreform, die scheinbar nur Verlierer, aber keine Gewinner kennt. Und die niemand so richtig versteht. Die Chancen für ein Ja sind nicht gross, auch wenn das Gesetz im Parlament klar angenommen wurde.
Und doch gibt es ein Problem. Denn das heutige Gesetz hat schlicht immer weniger mit der Realität zu tun. Es hält die Illusion aufrecht, die Lebenserwartung sei noch immer auf dem Stand von 1986, und modelliert unrealistische Zinserwartungen. Bezahlt werden diese Träumereien von den Jungen, die weit weg von ihrer Pensionierung sind.
Das Perverse ist: Die Rechnung geht derzeit tatsächlich irgendwie auf – nur nicht so, wie das eigentlich sein sollte. Sie geht auf, weil die meisten Pensionskassen das Gesetz – gelinde gesagt – ignorieren. Schon heute wenden sie viel tiefere Umwandlungssätze als das an, was im Gesetz als der hart erkämpfte Kompromiss gilt. Schon heute kriegen ihre Versicherten viel weniger Rente pro Alterskapital. Die gleichen, die in Bern den neuen Umwandlungssatz von 6,0 Prozent als zu tief bemängeln, erhalten in ihrer eigenen Pensionskasse vermutlich schon lange weniger. Nur sagt das niemand offen.
Funktionieren tut das nur deshalb, weil Gelder, die zusätzlich eingezahlt wurden, um höhere Renten anzusparen, mehr oder weniger von den Pensionskassen beschlagnahmt werden. Sie werden verwendet, um die Löcher zu stopfen, die das Gesetz verursacht. Und so wird das Gesetz formell erfüllt, obwohl kaum mehr jemand das bekommt, was eigentlich vorgesehen wäre.
Die BVG-Revision ist der zahme Versuch, das Gesetz wieder näher an die Realität zu führen. Sie ist der beste Kompromiss, den das Parlament – nach vielen Versuchen und Jahren – zustande gebracht hat. Das Gesetz ist nicht perfekt, aber das sind Kompromisse nie. Und mit der besseren Absicherung von Teilzeitangestellten – Geringverdienenden, oft Frauen – bringt es auch echte, materielle Verbesserungen. Zigtausende werden überhaupt erstmals in einer Pensionskasse versichert sein.
Natürlich kann man all die kleinen Fehler und die teilweise schmerzhaften Veränderungen bemängeln und einmal mehr Nein sagen zu dieser Reform. Doch damit versenkt man nicht nur die effektiven Verbesserungen, sondern man verschliesst auch schlicht die Augen vor der Realität. Und überlässt die Probleme einmal mehr einer späteren Generation.