In der Diskussion zum Vertrag Schweiz–EU geht es um die Zukunft der Schweiz – und die Bürger dürfen den Text nicht sehen! Klar ist nur: Das grösste Problem, das enorme Bevölkerungswachstum infolge Personenfreizügigkeit, wird nicht gemindert, sondern neu festgeschrieben. Weshalb werden die Anliegen der Bürger ignoriert?

Erstens haben viele Mitglieder von Regierung, Parlament und Verwaltung ganz andere Interessen als die Bürger. Sie lieben grosse und dank Bevölkerungswachstum schnell wachsende Staatsbudgets. Den Bürgern aber bringt das schnelle Bevölkerungswachstum nur Nachteile.

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Zweitens nützt die EU denjenigen, die gerne regulieren und das Geld anderer ausgeben. Zwar ist es offensichtlich, dass die heutigen Regulierungen – Beispiele Verbrennerverbot, Lieferkettensorgfaltsgesetz, EU-Taxonomie zur «allgemeingültigen Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeit» – die europäische Wirtschaft enorm belasten, aber der Welt, die sie zu retten vorgeben, kaum etwas bringen. Sie können auch nirgends als gute Vorbilder dienen, eben weil sie viel zu teuer und wirkungsarm sind. 

Der Gastautor

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor von Crema – Center for Research in Economics, Management and the Arts.

Aber gleichwohl nützt die Überregulierung vielen heutigen Unternehmungen und Managern. Weil die EU-Regulierungen alle europäischen Firmen treffen, können diese die Kosten auf die kaum organisierten Konsumenten überwälzen und für ihren Aufwand oft noch staatliche Subventionen auf Kosten der Steuerzahler erwirken. Zudem haben die Regulierungslasten stark Fixkostencharakter, was den alteingesessenen Firmen Marktschutz gegenüber neuen Mitbewerbern verschafft und so ihre Manager zu gut aussehen und deren Boni zu hoch ausfallen lässt.

Zugleich erleichtert es die EU-Politikharmonisierung, künftige Generationen durch Verschuldung auszubeuten. Hohe Staatsschulden bedeuten künftig hohe Steuern und kleinere Finanzspielräume – und so weniger Standortattraktivität. In kleinen unabhängigen Staaten mit guten Abwanderungsmöglichkeiten können die arbeitenden Menschen der Besteuerung durch Abwanderung oder Nicht-Zuwanderung so gut ausweichen, dass der Boden entwertet wird, sprich «die Schulden im Bodenwert kapitalisieren». Damit tragen die heutigen Bodenbesitzer die Schulden, wodurch sich Verschuldung politisch kaum lohnt. In grossen Wirtschaftsräumen oder gar auf Kontinentalebene ist die Politik aber schuldensüchtig, weil die künftigen Generationen der Schuldenlast nur schwer ausweichen können und darum sie statt der heutigen Bodenbesitzer die Schulden tragen müssen.

Bedeutet also EU europäischer Untergang? Dagegen hülfe der EU ein Blick auf die grossen USA. Ihr Schuldenstand ist grässlich. Aber dank demokratischer Kontrolle durch die Direktwahl des Präsidenten, intensivem föderalistischem Wettbewerb und der direkten Demokratie in vielen Bundesstaaten konnten sie das Schlimmste vermeiden. Sprich: Die EU muss endlich ihr Demokratiedefizit beheben. Der Schweiz hülfe ein Blick nach Kanada: Genauso wie es für Kanada und die wirtschaftlich 14-mal grösseren USA gut ist, dass sie nicht eins sind, keine Personenfreizügigkeit und nur ein Freihandelsabkommen haben, ist es für die Schweiz und die 21-mal grössere EU gut, wenn sie nur ein weitgehendes Freihandelsabkommen und keine Personenfreizügigkeit haben.