Grössere Unternehmen in der EU sollen künftig bei Umwelt- und Menschenrechtsverstössen ihrer Lieferanten stärker in die Pflicht genommen werden. Die EU-Kommission präsentierte am Mittwoch einen Gesetzesvorschlag, der Firmen dafür haftbar machen würde, wenn ihre Zulieferer gegen Menschenrechte verstossen oder die Umwelt zerstören.
Betroffen sind sowohl EU-Firmen als auch in der EU aktive ausländische Arbeitgeber - wie sie von der Richtlinie erfasst werden, ist aber unterschiedlich geregelt. Das Vorhaben muss noch von den EU-Staaten und dem EU-Parlament diskutiert und beschlossen werden, dabei kann es zu Änderungen kommen.
Der Richtlinienentwurf zielt auf grössere EU-Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 150 Millionen Euro weltweit ab.
Für Firmen, die in Branchen mit einem höheren Risiko für Ausbeutung aktiv sind - dazu zählen etwa Bergbau, Textilindustrie oder Landwirtschaft - gelten Grenzwerte von mindestens 250 Angestellten und 40 Millionen Euro Umsatz. Die Massstäbe für diese Risikobranchen sollen jedoch erst zwei Jahre später in Kraft treten.
Bussen und Haftungsklagen
Die Unternehmen müssen dem Vorhaben zufolge ermitteln, ob sich ihre Geschäfte nachteilig auf Menschenrechte und Umwelt auswirken. Verstösse müssten sie, falls erforderlich, abmildern oder verhindern.
Gegen Unternehmen, die sich nicht an die Vorgaben halten, könnten EU-Länder etwa Geldbussen verhängen, wie die Kommission mitteilte. «Es ist besonders wichtig, den Opfern zu ermöglichen, eine Entschädigung für ihren Schaden zu erhalten», heisst es zudem.
Dies würde bedeuten, dass die Opfer die Möglichkeit hätten, vor den zuständigen nationalen Gerichten eine zivilrechtliche Haftungsklage zu erheben. Dies ist dem Entwurf zufolge jedoch nur für Geschäftsbeziehungen mit Zulieferern vorgesehen, die auf Dauer angelegt sind.
Petition verlangt Schweizer Gesetz
Der EU-Vorschlag gehe weiter, als es die im November 2020 an der Urne gescheiterte Konzernverantwortungsinitiative in der Schweiz gefordert hatte, halten die damaligen Initianten in einer Mitteilung vom Mittwoch fest. Und er sei mit dem auf dieses Jahr in Kraft getretenen «Alibi-Gegenvorschlag» überhaupt nicht vergleichbar.
Die Koalition Konzernverantwortung - verschiedene Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie Hilfswerke, welche die Initiative lanciert hatten - fordert Bundesrat und Parlament nun dazu auf, rasch ein ähnliches Gesetz zu erarbeiten.
Die Konzernverantwortungsinitiative sei mit dem Argument bekämpft worden, dass die Regeln international abgestimmt sein müssten, wird der frühere FDP-Ständerat Dick Marty in der Mitteilung zitiert. «Wenn der Bundesrat das wirklich ernst gemeint hat, muss er jetzt handeln.» Ansonsten sei die Schweiz bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung. Die Koalition kündigt an, im Sommer «eine grosse Petition an den Bundesrat» starten zu wollen.
(sda/ske)