Die FDP hat eine Spaltung der Partei in der Frage neuer Atomkraftwerke in der Schweiz abgewendet. Nach einer langen und lebhaften Debatte fanden die rund 280 Delegierten am Samstag in Montreux einen Kompromiss.
Sie verabschiedeten ein abgeändertes Resolutionspapier zur Stomversorgungssicherheit ohne Gegenstimme. Darin schliesst die FDP den Bau von neuen Atomkraftwerken (AKW) nicht aus. Eine umstrittene Passage über den künftigen Umgang mit AKW wurde jedoch aus diesem Papier gestrichen. Es handelte sich dabei um den Satz: "So sind die Voraussetzungen zu schaffen, um namentlich KKW (AKW, Anm. der Redaktion) der neuen Generation zuzulassen."
Für die Delegiertenversammlung hatte die Parteipräsidentenkonferenz (PPK) einen abgeschwächten Kompromissvorschlag vorbereitet. Im Vorfeld hatte die ursprüngliche Version der Parteispitze heftigen Widerstand innerhalb der Partei ausgelöst, insbesondere bei den FDP Frauen.
Die umstrittene Passage wurde nun von der PPK wie folgt umformuliert: "Beim Ausbau und Ersatz bestehender einheimischer Produktionsanlagen darf es keine gesetzlichen Technologieverbote geben, um einen stabilen Energiemix für künftige Generationen zu garantieren. Es sind deshalb die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit langfristig und bei Bedarf auch eine neue Generation der Kernkraft-Technologie ihren Beitrag an die Versorgungssicherheit leisten könnte, sofern die Sicherheit jederzeit gewährleistet werden kann."
Mit dieser Formulierung zeigten sich die Delegierten nach einer lebhaften Debatte und diversen kleineren abgelehnten Änderungsanträgen zufrieden. Sie verabschiedeten die Resolution "Weniger Polemik, mehr Strom" mit 248 Ja-Stimmen, ohne Gegenstimme sowie mit einer Enthaltung.
Der neue Parteipräsident Thierry Burkart bedankte sich im Anschluss an diese Abstimmung bei allen Freisinnigen für die "konstruktive Debatte". "Wir haben heute gezeigt, dass wir konstruktiv mit einander zusammenarbeiten, dass wir konstruktiv miteinander Lösungen suchen und vor allem, dass wir Lösungen finden", sagte der Aargauer Ständerat.
Auch einem Positionspapier zur Planung und Finanzierung von Infrastrukturen in der Schweiz stimmten die FDP-Mitglieder mit grosser Mehrheit zu.
Ja zu Frontex
Weiter fassten die FDP-Delegierten die Parolen für zwei eidgenössische Vorlagen, über die das Volk am 15. Mai abstimmt. Sie hiessen die Stärkung von Frontex mit grosser Mehrheit gut und lehnten das neue Filmgesetz deutlich ab.
FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter verteidigte vor den Delegierten die Stärkung des Mandats der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache und die Erhöhung des finanziellen Beitrags der Schweiz zu Frontex. "Der Schutz der Aussengrenzen bedeutet, die Sicherheit und Freiheit unseres Landes zu gewährleisten", sagte die Justizministerin.
Die Delegierten folgten ihrer Argumentation weitgehend. Sie unterstützten das Frontex-Gesetz mit 335 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Der Abstimmung war keine Debatte vorausgegangen.
Bei der finanziellen Beteiligung an der EU-Grenzschutzagentur Frontex geht es darum, dass die Schweiz neu 61 statt 14 Millionen Franken jährlich an die europäische Grenz- und Küstenwache bezahlen soll.
Nein zu Filmgesetz
Ebenfalls mit grosser Mehrheit fassten die FDP-Delegierten die Nein-Parole zum neuen Filmgesetz. 275 Freisinnige sprachen sich gegen die sogenannte Lex Netflix aus, 53 dafür, 10 enthielten sich. Damit schliesst sich die FDP Schweiz dem nationalen Referendumskomitee an. Dieses Geschäft löste eine kurze Debatte und mehrere Wortmeldungen aus.
Das überarbeitete Gesetz sieht vor, dass Streamingdienste wie Netflix künftig mindestens vier Prozent ihrer in der Schweiz erzielten Einnahmen ins einheimische Filmschaffen investieren müssen. Dagegen haben die Jungparteien von FDP, SVP und GLP das Referendum ergriffen.
Ja zu AHV-Reform
Zum Auftakt der Delegiertenversammlung hatte Parteipräsident Burkart seine Parteimitglieder auf den Kampf für die AHV-Reform eingeschworen. Die Sicherung der Altersvorsorge sei eine der dringlichsten Aufgaben des Landes, die vom Parlament verabschiedete Reform AHV 21 sei ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Die Harmonisierung des Rentenalters von Frauen und Männern, verbunden mit entsprechenden Ausgleichsmassnahmen, sei nicht nur aus finanzieller Sicht zwingend, sondern auch im Hinblick auf die Gleichberechtigung bedeutend, sagte Burkart.
Seinen Argumenten schlossen sich die Delegierten an. Sie fassten mit 217 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen und keiner Enthaltung klar die Ja-Parole zur AHV-Vorlage. Zum Urnengang kommt es voraussichtlich im September.
Bereits am Freitagabend hatte die Parteipräsidentenkonferenz die Ja-Parole zum Transplantationsgesetz gefasst. Dieses verankert die erweiterte Widerspruchslösung bei Organspenden gesetzlich. (SDA)