Im Entlastungspaket des Bundesrates kommen die Sozialversicherungen kaum vor. Es finden sich nur zwei Massnahmen: die Dämpfung der Gesundheitskosten und die Entflechtung der Finanzierung der AHV vom Bundeshaushalt. Worum geht es bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP)? Der Bundesrat will zusammen mit den Kantonen das Kostenwachstum dämpfen. Das hat er im Gegenvorschlag zur Volksinitiative der Mitte für eine Kostenbremse in Aussicht gestellt. Die Kosten sollen pro Jahr um ein halbes Prozent weniger steigen als in den bisherigen Finanzplänen vorgesehen. Gelingt das, nehmen auch die Beiträge an die Prämienverbilligung weniger zu. Diese steigen gemäss Gesetz im Gleichschritt mit den OKP-Kosten. Wird das Kostenwachstum gedämpft, profitieren der Bund und die Kantone davon. In erster Linie werden dadurch aber die Versicherten entlastet. Ihre Prämie steigt weniger. Von Sozialabbau keine Spur.
Der Gastautor
Serge Gaillard ist Ökonom und ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung.
Etwas komplizierter ist es bei der AHV. Heute bezahlt der Bund der AHV einen fixen Prozentsatz ihrer Ausgaben. Hier schlägt der Bundesrat vor, in Zukunft den Bundesbeitrag an die AHV in Prozenten der Mehrwertsteuereinnahmen zu definieren. Es findet eine Teilung der Mehrwertsteuereinnahmen statt. Ein Teil geht in die Bundeskasse, ein fixer Teil an die AHV. Der Betrag an die AHV bleibt im Moment der Entflechtung unverändert. Diese Entflechtung hat zwei Folgen: Erstens werden die Einnahmen der AHV aus dem Bundesbeitrag etwas weniger zunehmen als bisher. Sie steigen nicht mehr mit den Ausgaben der AHV, sondern mit den Einnahmen der Mehrwertsteuer. Diese wächst im Gleichschritt mit dem Bruttoninlandprodukt, wie es auch die Lohnprozente an die AHV tun. Dadurch entgehen der AHV im Jahr 2030 Einnahmen von etwas weniger als 300 Millionen Franken, was 0,08 Mehrwertsteuerprozenten entspricht. Zweite Folge: Die AHV wird unabhängiger vom Bund finanziert. Durch Lohnprozente und durch Zuschläge zur Mehrwertsteuer. Die Beiträge des Bundes befinden sich nicht mehr in ständiger Konkurrenz zu anderen Bundesaufgaben. Es wird niemandem in den Sinn kommen, das Rentenalter zu erhöhen, nur um den Bundeshaushalt zu entlasten. Einsparungen bei der AHV kommen der AHV zugute, Mehrleistungen wie die 13. AHV-Rente müssen aber durch zusätzliche Beiträge an die AHV finanziert werden. Eine solche unabhängige Finanzierung der AHV dürfte sie langfristig stärken.
Für die finanzielle Stabilität der AHV ist ein anderes Geschäft weit bedeutender. Und dieses hat nichts mit dem bundesrätlichen Entlastungspaket zu tun. Die Finanzierung der 13. AHV-Rente ist noch nicht gesichert. Wenn diese nicht vollständig finanziert wird, schwächt das die AHV. Die 13. AHV-Rente kostet 4,3 Milliarden Franken. Der Finanzierungsvorschlag des Bundesrates bringt aber nur zusätzliche Einnahmen im Umfang von 2,8 Milliarden. Es fehlen 1,5 Milliarden. Ohne diese Beiträge wird die AHV bereits im Jahr 2029 Fehlbeträge schreiben. Da geht es um deutlich mehr Geld als bei der bundesrätlichen Entlastungsmassnahme.
Wieso dieser Fehlalarm beim bundesrätlichen Entlastungspaket? Offenbar können sich viele nicht vorstellen, dass beim Bund gespart werden kann, ohne dass es zu einem Leistungsabbau bei den Sozialversicherungen kommt. Es geht. Wer es nicht glaubt, lese den Vorschlag des Bundesrates.