Mit viel Tamtam hat die Schweizerische Nationalbank vor kurzem die neue 50er-Note lanciert: Plakate wurden aufgeklebt, TV-Spots geschaltet, sogar eine App fürs Smartphone entwickelt. So viel Werbung für Bargeld ist selten geworden, international haben Scheine und Münzen mittlerweile einen schweren Stand. Zwischen dem Vormarsch digitaler Zahlungsmittel und Limiten bei der Barbezahlung in verschiedenen Ländern kommt die Abschaffung des Bargelds immer näher. Unerhört und gefährlich ist die Entwicklung, kritisiert der bekannte Finanzmarktexperte Max Otte in seiner neuen Streitschrift.
In «Rettet unser Bargeld!» widmet er sich den Gefahren der bargeldlosen Gesellschaft und wie sich der Normalbürger dagegen wehren kann. Die grundlegende These von Otte handelt von Macht, Interesse und Einfluss. Ein Bündnis aus Banken, Onlinehändlern und Technologieriesen, Anbietern von Zahlungssystemen sowie Politikern arbeiten demnach am Ende des Bargelds. Ihre grosse Macht nutze diese Koalition, um Einfluss zu nehmen und den Bürgern ihr Recht auf Bargeld abzusprechen.
Enteignung und Abzockerei
Nicht nur, dass die Banken und Co. damit die Freiheit der Menschen einschränken, sie gefährden mit ihrem Vorgehen gar die Demokratie, ist Otte sicher. Denn «frei zirkulierendes, stabiles, staatliches Geld ist ein wichtiger Bestandteil einer freien Gesellschaft und transparenten Wirtschaftsordnung», so die Argumentation. Das Interesse an der bargeldlosen Gesellschaft eine die Koalition aus Politik und Wirtschaft. Mit seiner schmalen, 48 Seiten zählenden Streitschrift dürfte Otte den Nerv vieler Konservativer und Technikskeptiker treffen.
Warum jedoch gibt es diese vermeintliche Allianz gegen das Bargeld? Der Bankensektor mit Unterstützung von Politikern sei darauf bedacht, das Finanzsystem zu retten. Das aufgeblähte Geld- und Bankenwesen wäre dringend reformbedürftig, nur so kann eine weitere Krise wie 2008 vermieden werden. Ohne grossen Widerstand sei ein «Neustart» – wie Otte es nennt – in einer bargeldlosen Welt durchführbar. Eigentümer von Bankkonten könnten kurzerhand enteignet werden, so die düstere Zukunftsvision des Professors, der mit dem Buch «Der Crash kommt» einen Grosserfolg gelandet hatte. Die Massnahme träfe vorallem die Mittelschicht, Reiche wären durch Immobilien, Aktien und alternative Investments besser geschützt.
Finsterer Zukunftblick
Auf der Hand liegt das Interesse der Anbieter von Zahlungssystemen. Gibt es kein Bargeld mehr, sind alle gezwungen mit Karten, Apps oder ähnlichem zu bezahlen. Auf jede Transaktion können die Betreiber dieser Zahlungsmittel eine Gebühr erheben und damit gewaltig mitverdienen am Ende des Bargelds. Die Bildung eines Oligopols ist für Otte das logische Resultat.
In dieser Woche zeigte die Guerilla-Aktion von Twint beispielhaft auf, dass der von Otte geschilderte Kampf um die Zukunft des Bargelds auch in der Schweiz geführt wird: Die Veranwortlichen der Bezahl-App platzierten Kleber mit der Aufschrift «Wir gratulieren der SNB zum Druck der letzten Banknote» auf den Plakaten der Schweizerischen Nationalbank zum neuen Fünfziger. Zwar können viele Menschen über die Aktion schmunzeln, dahinter jedoch verbirgt sich der Kern der Debatte.
Profitieren im grossen Stil würde der Bereich E-Commerce und von Otte als Datenkraken betitelte Firmen wie Facebook und Google. Ohne Bargeld kämen diese in Besitz noch gewaltigerer Datenmengen, mit denen sie Angebot und Preis individuell festlegen können. Die Konsequenz für Konsumenten: Sie können Waren und Dienstleistungen nicht mehr vergleichen, es fehlt die Preistransparenz. Zusätzlich verschwände auch jegliche Privatsphäre.
Hauch von Verschwörungstheorie
Die Streitschrift endet in einer Reihe von Aufforderungen an den Leser, wie auch er sich für der Rettung des Bargelds einsetzen könne. Vom Unterschreiben der Onlinepetition Ottes über Diskussionen mit Freunden und Kollegen bis hin zum konsequenten Barbezahlen, die Möglichkeiten für zivilen Widerstand sind breit.
Die Streitschrift von Max Otte verdient ihre Bezeichnung. Dem Autor ist es ernst in seiner Verteidigung des Bargelds. Wenn er aber wiederholt vom drohenden Endspiel und den Datenkraken erzählt, wäre etwas mehr Abstand und weniger Enthusiasmus wünschenswert. Denn bei allem Verständnis für die Vorzüge von Barem und die Gefahren der Abschaffung, das Abdriften ins Verschwörerische nimmt den Argumenten die Kraft.
«Rettet unser Bargeld!»
Ullstein Verlag / ISBN: 978-3-550-08158-3 / 48 Seiten / 9,90 Franken