Menschen, die wegen des Krieges aus der Ukraine geflüchtet sind, erhalten in der Schweiz den Schutzstatus S. Das heisst, dass sie ohne Asylverfahren vorerst ein Jahr in der Schweiz bleiben, arbeiten und zur Schule gehen können.

Der Bundesrat hat am Freitag die Aktivierung des Schutzstatus S beschlossen. Das Instrument wurde in den 1990er-Jahren geschaffen, aufgrund der Erfahrungen mit den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien, um eine allfällige Überlastung bei den ordentlichen Asylverfahren zu vermeiden. Benutzt hat es der Bundesrat zuvor aber noch nie.

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Ab Samstag in Kraft

Der Schutzstatus S, der eine möglichst rasche und unbürokratische Aufnahme ermöglichen soll, gilt ab dem morgigen Samstag (12. März). Die Geflüchteten aus der Ukraine können zunächst ein Jahr lang in der Schweiz bleiben; ihr Aufenthaltsrecht kann aber bei Bedarf verlängert werden. Sie können Familienangehörige nachziehen.

Kinder und Jugendliche erhalten Zugang zum Schulunterricht. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) und die Kantone prüfen noch, ob Massnahmen zum Erlernen der Landessprachen nötig sind. Die Geflüchteten dürfen sofort eine Erwerbsarbeit aufnehmen - ob als Angestellte oder als Selbstständige.

Der Bundesrat hat die Drei-Monats-Wartefrist für die Aufnahme einer Erwerbsarbeit aufgehoben. Diese Änderung gegenüber dem im Asylgesetz definierten Schutzstatus S beschloss er auf Verordnungsstufe. Wer einen Schutzstatus S hat, darf zudem ohne Bewilligung reisen.

Auch für Bürger von Drittstaaten

Den Schweizer S-Ausweis gibt es nicht nur für Bürgerinnen und Bürger der Ukraine, sondern auch für Menschen aus Drittstaaten, die wegen des Krieges die Ukraine verlassen mussten. Voraussetzung ist, dass sie eine gültige Aufenthaltsberechtigung in dem Land haben und nicht sicher und auf Dauer in ihr Heimatland zurückkehren können.

Keinen Schutzstatus S gewährt die Schweiz Menschen, die den Schutzstatus bereits in einem EU-Land erhalten haben. Der Schweizer Schutzstatus S entspricht nach Angaben des Bundesrates weitgehend der Regelung in der EU.

Innerhalb der zwei Wochen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hätten über 2 Millionen Menschen das Land in Richtung Schengen-Raum verlassen, schreibt der Bundesrat. Nach Angaben des SEM vom Freitag wurden in der Schweiz bisher rund 2100 Geflüchtete registriert.

Zustimmung in Konsultation

Rund zwei Drittel von ihnen sind in Bundesasylzentren untergebracht, die übrigen bei Privaten. Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte am Donnerstag in einem Interview mit Blick TV, dass laut Schätzungen bis zu 60'000 Menschen in der Schweiz Zuflucht suchen könnten.

Der Bundesrat führte zur Aktivierung des Schutzstatus S vor einer Woche eine Konsultation bei Kantonen, Städten und Gemeinden, Hilfswerken und dem Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR durch. Seine Pläne seien von einer grossen Mehrheit der Konsultierten explizit befürwortet worden, schreibt er nun.

(sda/mbü)

Was der Schutzstatus S bedeutet und wer ihn bekommt

Der Bundesrat hat am Freitag den Schutzstatus S für aus der Ukraine Geflüchtete aktiviert. Das bedeutet konkret Folgendes:

Wer den Schutzstatus S bekommt

Der Schutzstatus S gilt für folgende Personenkategorien:

a. Schutzsuchende ukrainische Staatsbürger und ihre Familienangehörige (Partner, minderjährige Kinder und andere enge Verwandte, die zum Zeitpunkt der Flucht ganz oder teilweise unterstützt wurden), welche vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine wohnhaft waren.

b. Schutzsuchende Personen anderer Nationalität und Staatenlose sowie ihre Familienangehörige gemäss Definition in Buchstabe a, welche vor dem 24. Februar 2022 einen internationalen oder nationalen Schutzstatus in der Ukraine hatten.

c. Schutzsuchende anderer Nationalität und Staatenlose sowie ihre Familienangehörige gemäss Definition in Buchstabe a, welche mit einer gültigen Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung belegen können, dass sie über eine gültige Aufenthaltsberechtigung in der Ukraine verfügen und nicht in Sicherheit und dauerhaft in ihre Heimatländer zurückkehren können.

Die Zugehörigkeit zur definierten Gruppe wird in einem vereinfachten Verfahren festgestellt, bei dem gewisse Verfahrensschritte des ordentlichen Asylverfahrens zur Anwendung kommen (beispielsweise die Registrierung des Gesuchs, der Sicherheitscheck, die Kurzbefragung und die Prüfung der Zugehörigkeit zur Gruppe der Schutzbedürftigen).

Wer den Schutzstatus S umsetzt

Die Kantone erhalten vom Bund für die Aufnahme der Flüchtlinge und die Umsetzung des Schutzstatus S bis zur Aufhebung des Regimes oder während maximal fünf Jahren eine Globalpauschale pro aufgenommene Person. Diese setzt sich zusammen aus einem Anteil für die Mietkosten, einem Anteil für die Sozialhilfe- und Betreuungskosten und einem Anteil für Krankenkassenprämien, Selbstbehalte und Franchisen.

Wenn der Bundesrat den vorübergehenden Schutz nach fünf Jahren noch nicht aufgehoben hat, so erhalten Schutzbedürftige eine Aufenthaltsbewilligung. Diese ist befristet bis zu dem Moment, in welchem der Bundesrat den vorübergehenden Schutz aufhebt. In diesem Fall erhalten die Kantone die Hälfte der Globalpauschale. Zudem bezahlt der Bund eine Integrationspauschale. Für Personen mit Schutzstatus S zahlt der Bund keine Integrationspauschale. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage.

Hintergrund des Schutzstatus S

Das Instrument des vorübergehenden Schutzes wurde im Kontext der Jugoslawienkriege geschaffen, als die Schweiz mit einem Zustrom von schutzsuchenden Personen konfrontiert war. Seit der Totalrevision des Asylgesetzes von 1998 ist das Schutzsystem im Gesetz geregelt.

(awp/mbü)