Der US-Senat hatte am Dienstag die Ergebnisse einer fünfjährigen Überprüfung von mehr als 6,3 Millionen Seiten an CIA-Dokumenten präsentiert. Der Bericht hebt hervor, dass der Geheimdienst bei Verhören von Gefangenen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 brutaler vorgegangen sei, als es erlaubt gewesen sei und als die CIA es vor der Regierung und der Öffentlichkeit zugegeben habe. Verwiesen wird auf Praktiken wie simuliertes Ertränken («waterboarding») oder tagelanger Schlafentzug.
In keinem einzigen Fall sei die CIA dadurch an Informationen gelangt, die eine «unmittelbar bevorstehende Terror-Bedrohung» ausgeschaltet hätten.
Ehemalige CIA-Beamte kritisieren den Bericht
Dagegen verwahrten sich die Ex-CIA-Direktoren George Tenet, Porter Goss und Michael Hayden sowie drei ehemalige stellvertretende Chefs des Geheimdienstes im «Wall Street Journal». Der Bericht des Senats sei ein Angriff auf die Behörde, «die nach den Angriffen vom 11. September 2001 am meisten zum Schutz Amerikas getan hat».
Durch die Verhöre sei man an Informationen gekommen, die Tausenden das Leben gerettet hätten. Wie in allen Kriegen habe es zweifelsohne Dinge gegeben, die nicht hätten passieren sollen. Solche Vorfälle seien aber dem Generalinspekteur der CIA oder dem Justizministerium gemeldet worden.
Obama: niemals wieder
Viele Amerikaner sehen das aber anders: Zeitungen sprachen vom Schandfleck in der Historie und Präsident Obama kündigte in einer ersten Reaktion an, er werde dafür sorgen, dass die USA «niemals wieder auf solche Methoden zurückgreifen».
Das Vorgehen im Zuge des Anti-Terror-Kampfes entspreche nicht den Werten der USA und habe dem Ansehen des Landes in der Welt geschadet. Sie hätten auch nicht der nationalen Sicherheit gedient.
Emporung auf der ganzen Welt
Die Enthüllungen haben weltweit für Empörung gesorgt. Der deutsche Bundesaussenminister Frank-Walter Steinmeier sprach am Mittwoch von einer «groben Verletzung demokratischer Werte». Und der deutsche Justizminister Heiko Maas forderte, alle Beteiligten müssten strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Ähnlich äusserte sich der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Ben Emmerson.
Litauens Ministerpräsident Algirdas Butkevicius forderte die USA auf, endlich zu sagen, ob die CIA in seinem Land ein Geheimgefängnis zur Folter von Gefangenen betrieben habe. Der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski räumte ein, während seiner Amtszeit US-Geheimagenten die Nutzung einer Einrichtung auf polnischem Gebiet erlaubt zu haben. Er habe aber nicht gewusst, was dort konkret passiert sei. Dem Senatsbericht zufolge wurden Al-Kaida-Verdächtige in Polen in einer von der CIA geführten Einrichtung in einer Art verhört, die nach Auffassung von Menschenrechtsgruppen auf Folter hinausläuft.
Selbst Unrechtsstaaten geben sich entsetzt
Auch Staaten, denen selbst regelmässig Verstösse gegen Menschenrechte vorgeworfen werden, nutzten den Bericht für scharfe Kritik an den USA. Auf einem Twitter-Konto, über das Mitteilungen des politischen und religiösen Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, verbreitet werden, war zu lesen, der Senatsbericht zeige, dass die US-Regierung ein «Symbol der Tyrannei gegen die Menschlichkeit» sei.
Das Aussenministerium in Peking erklärte, die USA sollten «ihre Methoden korrigieren» und «aufrichtig die Regeln entsprechender internationaler Konventionen respektieren und befolgen».
Selbst Nordkorea hält sich nicht zurück mit Tadel an den USA – und am Weltsicherheitsrat: Der UNO-Sicherheitsrat würde «sein Gesicht von der unmenschlichen Folterpraxis der CIA abwenden», wurde am Mittwoch auf der Website der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA ein Sprecher des Aussenministeriums zitiert.
Obama: Praktiken der Vergangenheit
Auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen forderten Konsequenzen. So sagte der Direktor der American Civil Liberties Union, Anthony Romero, der Senatsbericht liefere eine Blaupause für eine mögliche Strafverfolgung. Dass es dazu kommt, ist jedoch nach Auffassung von Experten höchst unwahrscheinlich.
Obama, der umstrittene Verhörpraktiken nach seinem Amtsantritt 2009 verboten hatte, sagte, der Bericht solle nicht ein weiterer Grund zum Ausfechten «alter Argumente» sein. Er hoffe vielmehr, dass die Praktiken dort gelassen werden könnten, «wo sie hingehören - in der Vergangenheit».
(reuters/ise)