Für den Erhalt der hohen Schweizer Lebensqualität braucht es kluge liberale Politik. Dies bedingt unabhängige liberale Organisationen, die gute wissenschaftliche Analysen als Gegengewicht zu den vielen von der Verwaltung beauftragten Studien erstellen. Das 2021 gegründete Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern ist deshalb ein Glücksfall für die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz.

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Aufregend ist die neue IWP-Studie zur Europaintegration der Schweiz. Sie analysiert, wie sich drei alternative Strategien über den Aussenhandel auf den Wohlstand auswirken: 1. Modernisierung des Freihandelsabkommens von 1972 nach dem Vorbild des kanadisch-europäischen Ceta‐Abkommens unter Beibehaltung der Bilateralen I und II, 2. EU-Vollbeitritt und 3. Desintegration durch Kündigung der Bilateralen I und II sowie des Freihandelsabkommens von 1972, also Rückzug auf normalen Freihandel nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Die Studie wurde gemeinsam mit dem dafür hochkompetenten und sehr europafreundlichen Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel durchgeführt und fokussiert allein auf den Aussenhandel – berücksichtigt also etwa Probleme mit dem Bevölkerungswachstum nicht.

Die Ergebnisse zur Desintegration sind ein Hammer

Bisher diskutierten Medien, Kritiker und das IWP selbst vor allem die Ergebnisse zu den ersten zwei Alternativen. Der EU-Beitritt brächte durch Handelserleichterungen längerfristig eine Erhöhung des Niveaus der Wertschöpfung um 4 Prozent und eine (wegen Preissenkungen grössere) Steigerung der Realeinkommen um 7,2 Prozent – aber auch viele nicht analysierte grosse Nachteile und Kosten. Das modernere Freihandelsabkommen brächte 1,5 Prozent mehr Wertschöpfung und 2,4 Prozent höhere Realeinkommen, praktisch ohne Nebenwirkungen.

Der wahre Hammer aber sind die Ergebnisse zur Desintegration. Da reden die Medien allenfalls von riesigen Wohlfahrtsverlusten. Tatsächlich aber würden die Wertschöpfung durch Handelserschwernisse um 1,6 Prozent und die Reallöhne um 2,6 Prozent sinken – ein Miniverlust verglichen mit den Kosten, die den Bürgern und Bürgerinnen das schnelle Bevölkerungswachstum infolge Personenfreizügigkeit bringt.

Die Ergebnisse passen zu dem, was die vom Bund beauftragte, aber dann verdrängte Studie von Ecoplan 2015 fand: Bei Kündigung der Bilateralen I (inklusive Personenfreizügigkeit) würden die Reallöhne nur um 0,7 Prozent fallen – wobei auch hier all die Nutzen aus einem dann viel tieferen Bevölkerungswachstum nicht berücksichtigt wurden. Deshalb gilt: Die wirtschaftliche Bedeutung der Bilateralen I und II werden haushoch überschätzt. Entscheidend für den Wohlstand ist Freihandel nach WTO-Standard.

Die Kolumne «Freie Sicht»

Reiner Eichenberger ist Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und regelmässiger Kolumnist der Handelszeitung. Die in den Kolumnen vertretenen Ansichten können von jenen der Redaktion abweichen.