Die ohnehin schon genug belasteten Beziehungen zwischen der EU und den USA haben einen weiteren Rückschlag erlitten. Im Internet aufgetauchte vertrauliche Gesprächsmitschnitte zeigen, wie sehr EU und USA bei der Krisendiplomatie in der Ukraine über Kreuz liegen.
Doch beide Seiten müssen sich nun gemeinsam fragen, wer dahinter steckt - und wie wirksam ihre Bemühungen um eine politische Lösung in der Ukraine überhaupt noch sein können.
Europäer stossen auf taube Ohren
Die Enthüllungen über die Sammlung europäischer Kommunikationsdaten durch den US-Geheimdienst NSA, gezielte Spähaktionen gegen die Handys deutscher Regierungschefs und Wanzen in EU-Gebäuden hatten die Europäer in den vergangenen Monaten schon mehrfach in Rage gebracht. Frustriert müssen die Europäer zusehen, wie zwar ihre Telefonate im Partnerland USA auf offene, ihre Forderungen nach Datenschutzzusagen und No-Spy-Abkommen aber auf taube Ohren stossen.
Wie wenig ernst die USA die Europäer auch als politische Kraft nehmen, zeigt nun ein heimlich mitgehörtes und auf Youtube veröffentlichtes Gespräch der US-Europabeauftragten Victoria Nuland mit dem US-Botschafter in Kiew. «Fuck the EU» («Scheiss auf die EU») kanzelt Nuland darin die Rolle der Europäer ab, als es um Lösungen für die politische Krise in der Ukraine geht.
EU-Replik auch auf Youtube
«Absolut unakzeptabel» findet die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Äusserung. «Kein Kommentar», lautet die Reaktion in Brüssel. «Die EU ist damit beschäftigt, den Menschen in der Ukraine in der aktuellen Krise zu helfen», erklärt die Sprecherin der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton schmallippig. Doch wie genervt die EU ist, lässt sich in einem zweiten Mitschnitt hören, der ebenfalls auf Youtube hochgeladen wurde.
In bester Tonqualität beschwert sich darin offenbar Ashtons Top-Diplomatin, die Deutsche Helga Schmid, dass in der Diskussion um Sanktionen gegen Kiew «die Amerikaner herumgehen und die EU an den Pranger stellen, wir seien da zu soft». Die EU wolle ja auch Strafmassnahmen, sagt die verärgerte Schmid dem EU-Botschafter in Kiew, «wir hängen das nur nicht an die grosse Glocke, weil das sehr viel effektiver ist». Die Geringschätzung Washingtons und das aus ihrer Sicht grossspurige Verhalten der USA trifft die Europäer hörbar.
«Wir werden sehr aktiv bleiben»
Zwar haben die Europäer verschlafen, wie der ukrainische Regierungschef Viktor Janukowitsch im November unter dem Druck Moskaus die Ukraine vom Kurs Richtung EU weglenkte und dann die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens plötzlich auf Eis legte. Doch seitdem bemühen sie sich aktiv um eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Regierung und Opposition, der seit Janukowitschs Kehrtwende die Ukraine in einen politischen Ausnahmezustand versetzt hat. «Wir sind, waren und werden sehr aktiv bleiben», sagt ein ranghoher EU-Diplomat.
Angesichts der veröffentlichten geheimen Gespräche müssen sich die Europäer und die USA trotz aller Unstimmigkeiten in der Ukraine-Diplomatie aber auch fragen, ob gezielt ein Keil zwischen sie getrieben werden soll. Oder wie effektiv ihre Strategien zur Lösung der Krise in der Ukraine überhaupt sein können.
Gegen Klitschko ausgesprochen
Nuland etwa spricht sich in dem Telefonat gegen eine Regierungsbeteiligung von Oppositionsführer Vitali Klitschko aus. Welcher Druck kann also auf Janukowitsch ausgeübt werden, wenn er diese Einschätzung kennt - und auch über die uneinheitliche Linie von USA und EU zu Sanktionen Bescheid weiss?
Unwahrscheinlich ist das nicht. Denn die USA vermuten hinter der Aktion die Regierung in Moskau, die Janukowitsch bisher stützt. Der mit russischen Untertiteln versehene Nuland-Mitschnitt sei von der russischen Regierung über den Onlinedienst Twitter verbreitet worden, sagt der Sprecher von US-Präsident Barack Obama. «Das sagt etwas über Russlands Rolle aus.»
(sda/dbe/sim)