Selbstverständlich wird das Parlament von allen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern gewählt, und die Wirtschaft per se hat kein Stimmrecht. Doch die Wirtschaft, das sind wir alle. Und vieles, was das Parlament in einer Legislatur beschliesst, betrifft auch die Wirtschaft: Sie muss die politischen Entscheide tragen und umsetzen. Deshalb ist es auch im Interesse der Gesellschaft, dass Politik nie an der Wirtschaft vorbei gemacht wird.

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1. Mehr Mut, Realismus und Pragmatismus

Es ist auch klar erkennbar, dass in der Politik eine Tendenz besteht, sich vor heiklen Problemen zu ducken. Der politischen Unsitte, Probleme zu lösen, die keine sind, und die wahren Probleme zu ignorieren, muss entschieden entgegengewirkt werden.  

Der Gastautor

Stephan Mumenthaler ist Direktor von Scienceindustries, des Wirtschaftsverbands für Chemie, Pharma und Life Sciences.

Ob in der Europapolitik oder der Sicherung der Energieversorgung und der Sozialwerke: Dringend notwendig sind tragfähige Kompromisse. Die Schweiz hat sich lange durch Pragmatismus ausgezeichnet. Diese Eigenschaft gilt es wieder vermehrt zu pflegen. Es braucht wieder die Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg statt ideologischer Grabenkämpfe. Die Forderung an das künftige Parlament: mehr Mut, Realismus und Pragmatismus.

2. Vergesst die Kosten nicht

Es ist nicht damit getan, ein neues Gesetz auf Papier zu drucken. Jemand muss es umsetzen, und das ist oft die Wirtschaft. Dies verursacht Kosten, und je komplexer und detaillierter eine Vorschrift, umso grösser der Aufwand. Die Kosten mögen nicht sichtbar sein, aber wir alle zusammen tragen sie am Schluss. Deshalb muss bei jedem Erlass gut überlegt werden, was wirklich nötig und verhältnismässig ist. Die Forderung hier lautet: Vergesst die Kosten nicht!

3. Weniger ist oft mehr

Wie in der Medizin kommt Wirkung leider kaum je ohne Nebenwirkung. So kann die Verfolgung eines Ziels anderen Zielen schaden. Somit verursacht die zunehmende Regulierung auch grosse nicht monetäre Kosten. Aus diesem Grund müssen Eingriffe – wenn sie überhaupt nötig sind – so selektiv, zielgenau und einfach wie möglich gestaltet werden. Der Forderung an die künftigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier: Macht weniger statt mehr!

4. Stärkt das Milizsystem

Das Schweizer Parlament funktioniert seit jeher im Milizsystem, und das war bisher eine der grossen Stärken. Im Idealfall sorgt das Milizsystem dafür, dass das Wissen und die Erfahrung aus der Wirtschaft und dem zivilen Leben in die Politik einfliessen können. Das funktioniert aber nur, wenn man auch tatsächlich solche Erfahrungen macht und/oder ein spezifisches Wissen hat, bevor man politische Ämter anstrebt. Etwas einfach ausgedrückt: Wer nichts weiss und nichts kann, gehört auch nicht ins Parlament, sondern sollte die notwendigen Kompetenzen anderweitig erwerben.

Wenn man das heutige Parlament anschaut, so sieht man zunehmend Karrieren, die direkt von der Hochschule in die Politik führen und allfällige Erwerbstätigkeiten beim Staat oder in NGOs verfolgen. Man ist versucht, von Hors-sol-Politik zu sprechen. Die Politik muss die Realität kennen, die sie versucht zu regulieren. Deshalb ist es mehr als nur wünschenswert, dass die beruflichen Aktivitäten der Parlamentarierinnen und Parlamentarier einen Bezug zur Wirtschaft haben. Die Forderung ist hier: Stärkt das Milizsystem.

5. Glaubt an die Zukunft

Politik heisst, die Zukunft zu gestalten, nicht die Vergangenheit zu verklären und zu bewahren. Politik sollte vermehrt wieder ermöglichen und nicht verhindern. Viel zu viele Erlasse verbieten, beschränken, verteuern. Erwähnt werden soll hier die Verhinderung oder Beschränkung neuer Technologien, von 5G bis zu neuen genomischen Verfahren.

Damit plagen und hemmen wir unsere Unternehmen und beschränken die Möglichkeiten für unsere Bevölkerung. Gute Politik hat die Risiken im Auge und nutzt die Chancen. Es mag sich etwas abgegriffen lesen, aber es ist so: Nur eine Politik, die an die Zukunft glaubt, kann diese auch gestalten – für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und das Wohl unserer Gesellschaft. Deshalb: Glaubt an die Zukunft!

Stephan Mumenthaler ist Kolumnist der «Handelszeitung». Die in den Kolumnen vertretenen Ansichten können von jenen der Redaktion abweichen.