Diverse Hersteller haben Schnelltests zum Nachweis einer Coronavirus-Infektion entwickelt, etwa Roche, Siemens Healthineers oder Abbott. Bei diesen neuen Verfahren liegt das Resultat – statt nach einem bis zwei Tagen – bereits nach wenigen Minuten vor: Der Umweg über ein Labor entfällt.
Noch sind diese Tests nicht Teil der offiziellen Coronavirus-Strategie: Die neuen Verfahren sind noch nicht validiert – ihre Genauigkeit und Zuverlässigkeit muss noch überprüft werden. Deshalb stützen sich die behördlichen Epidemienbekämpfer in den Kantonen und im BAG noch auf die herkömmlichen PCR-Labor-Tests, bei denen man bis zu 48 Stunden aufs Resultat warten muss.
«Testempfehlungen werden angepasst»
Jetzt aber folgt der nächste Schritt. Beim BAG erwartet man die Resultate der Validierung – vorgenommen durch ein Labor in Genf – in den nächsten Tagen. «Das EDI/BAG begrüsst den raschen Einsatz von validierten Schnelltests und wird dem Bundesrat nach Vorlegen der definitiven Resultate einen entsprechenden Vorschlag dazu unterbreiten», teilt BAG-Sprecher Yann Hulmann mit. Die vorläufigen Resultate aus Genf seien positiv, meldet die Behörde weiter.
Danach würden die neuen Verfahren – wo sinnvoll - in die Teststrategie integriert: «Die Test-Empfehlungen werden angepasst und Ende Oktober / Anfang November kommuniziert», so Hulmann.
«Aus epidemiologischer Sicht sehr wichtig»
Ziel sei es, die Schnelltests für bestimmte Personengruppen umgehend einzuführen. «Damit können wir die Testkapazität erhöhen und dafür sorgen, dass sich positiv getestete Personen umgehend in die Isolation begeben. Wir können also noch breiter testen. Das ist aus epidemiologischer Sicht sehr wichtig», teilt BAG-Sprecher Jonas Montani mit. Der Bund hat dazu grössere Mengen dieser Tests gesichert.
Gerade die Wirtschaft setzt grosse Hoffnungen auf die neuen Verfahren. Laut Rudolf Minsch, dem Chefökonomen von Economiesuisse, könnten Sie «zum wirklichen Gamechanger werden». Denn mit ihnen eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, so Minsch in einer Stellungnahme: «Es macht keinen Sinn mehr, grossflächig Leute in Quarantäne zu setzen, die vielleicht infiziert worden sind. Wenn beispielsweise nach einer Hochzeit, nach einer Arbeitsschicht oder in einer Abteilung ein Corona-Fall auftaucht, müssen fortan nur noch alle zum Schnelltest. Und nur wer wirklich positiv getestet wird, muss auch in Quarantäne.»
Türöffner für Tourismus
Die neuen Tests reagieren nicht auf das Virus selbst – wie die PCR-Tests, mit denen derzeit gearbeitet wird. Es handelt sich um Antigen-Tests, das heisst, sie sprechen nicht auf das Virus selbst an, sondern auf ein Protein auf der Oberfläche des Erregers. Sie sind vor allem gut, um Infizierte zu erkennen, die eine hohe Viruslast haben und die deshalb besonders infektiös für andere sind.
Schon seit einiger Zeit fordern Fluggesellschaften sowie Tourismus- und Berufsverbände, mit Schnelltests das Quarantäneregime auszuhebeln. Im Parlament liegt auch eine Interpellation vor, lanciert von FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro, welche entsprechende Schritte anregt. «Die Schweiz würde Reisenden – Schweizern wie Ausländern – aus Risikoländern die Einreise in ihr Hoheitsgebiet ohne Quarantäne gestatten, sofern sie einen negativen Covid-19-Test vorlegen», so die Idee: «Ein zertifizierter Schnelltest könnte bei der Ankunft auf dem Flughafen oder in Testzentren durchgeführt werden.»
Kernfrage: Welches Risiko wollen wir?
Bislang bremste das BAG allerdings die Hoffnung, dass dank den Schnelltests das Quarantäneregime gelockert und die Quarantänedauer gesenkt werden könnten. Denn eine Person könne trotz eines negativen Testergebnisses infiziert sein.
Die entscheidende Frage – über die sich auch der Bundesrat demnächst beugen wird –, lautet also: Welcher Prozentsatz der Infizierten bliebe nun unentdeckt? Bei welchem Quarantäneregime? Und: Welches Risiko ist tragbar?
Im Ausland sind die Schnelltests schon verbreiteter. Deutschland fährt eine umfassende Schnelltest-Strategie. Der Flughafen Heathrow bietet seit ein paar Tagen Schnelltests für Passagiere nach Italien und Hongkong an. In der Schweiz sind die Schnelltests zwar erhältlich, fallen aber unter das Epidemiengesetz und können deshalb nur von zertifizierten Labors durchgeführt werden.
Ganz simpel wird die Sache auch im November nicht: Selbst bei den neuen Tests muss der unangenehme Abstrich aus dem Nasen-Rachen-Raum von geschultem Personal gemacht werden.
(val — rai — rap)