Auf Kunstauktionen fliesst atemberaubend viel Geld, das zeigt der aktuelle Weltrekord bei einer Auktion von Christie's in New York. Eine Skulptur des Schweizers Alberto Giacometti wechselte für 141,3 Millionen Dollar den Besitzer. Nie wurde auf einer Versteigerung mehr für eine Skulptur gezahlt. Zugleich wurde das Picasso-Gemälde «Les femmes d'Alger» zum teuersten Werk des legendären Spaniers (siehe Bildergalerie). Doch das viele Geld lockt dunkle Machenschaften an. Warum die Bedingungen für Betrug in der Schweiz besonders günstig sind, erklärt Juristin und Geldwäsche-Expertin Monika Roth im Gespräch.

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Wieso ist gerade der 
Kunsthandel anfällig auf Geldwäscherei?
Monika Roth*: Der Finanzmarkt ist heute stark reguliert. Deshalb weichen die Geldwäscher auf andere Märkte aus wie Immobilien, Fussball oder eben Kunst. Der Kunsthandel eignet sich deshalb so gut für die Geldwäscherei, weil die Preisgestaltung intransparent ist und man Käufer und Verkäufer häufig nicht kennt.

Es gibt Auktionen, es gibt Kataloge, 
in denen die Preise publiziert werden – das ist doch transparent.
Das wollen Ihnen die Akteure so verkaufen. Aber faktisch ist es so, dass an Auktionen manipuliert werden kann, zunächst von den Auktionshäusern selber, indem der Auktionator fiktive Gebote macht. Dann gibts Absprachen unter Käufern. Es gibt Galeristen und Sammler, die den Preis hochtreiben, um ihren eigenen Bestand zu schützen. Die Geldwäsche im Kunsthandel ist auch deshalb so einfach, weil Interessenskonflikte gang und gäbe sind. Da kann einer gleichzeitig als Berater und als Verkäufer auftreten. Oder Verkäufer und Auktionshaus verhandeln über einen möglichst hohen Preis.

Bei der Meldestelle für Geldwäscherei kann man die Fälle im Kunsthandel 
an einer Hand abzählen.
Nur Finanzintermediäre, also etwa die Banken, können Meldung machen, Kunsthändler nicht. Sie sind auch wenig sensibel betreffend das Thema.

Was heisst das?
Das merkt man in der politischen 
Debatte und aufgrund persönlicher Reaktionen. Als ich an der Universität Basel zu diesem Thema ein Referat gehalten habe, hat man mir unverhohlen Ablehnung und Unverständnis entgegengeschleudert, wie ich das zuvor noch nie erlebte.

Möchte denn der Kunsthandel, 
dass der Markt überhaupt nicht 
reguliert ist?
Ja. Man macht zwar gewisse Zugeständnisse. Die Auktionshäuser zum Beispiel berufen sich auf ihre freiwillige Unterstellung unter Selbstregulierungsorganisationen. Doch das ist nichts wert.

Der Kunsthandel argumentiert, 
dass Beträge über 100'000 Franken 
über Banken laufen und dass diesen 
die wirtschaftlich Berechtigten ja 
bekannt sind.
Eine Bank kennt nur ihre Kunden und muss bei diesem die Sorgfaltspflichten erfüllen. Die andere Partei kennt sie nicht und muss sie nicht identifizieren.

Aber in Zukunft muss die Galerie 
oder das Auktionshaus abklären, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist.
Ja, aber wenn man nicht gewillt ist, das à fond zu machen, wird man sich mit einer Erklärung begnügen und diese nicht hinterfragen.

Sollte denn der Kunsthandel 
dem Geldwäschereigesetz unterstellt 
werden?
Ja, dieser Meinung bin ich ganz dezidiert. Es müssten auch die gleichen Regeln gelten bezüglich politisch exponierter Personen, wie das für Banken gilt. Denn es gibt immer wieder Fälle, bei denen korrupte Politiker über Kunst Geld waschen, etwa afrikanische Potentaten.

Wie wird denn die Herkunft der Gelder vertuscht?
Etwa indem der Verkäufer anonym bleibt. Man gibt als Herkunft eines Kunstwerks «Collection of a Gentleman» an. Oder man verkauft Kunst über Sitzgesellschaften im Ausland, die nur dazu dienen, die Herkunft des wirtschaftlich Berechtigten zu verschleiern. Beliebt ist auch die Überfakturierung, indem man Bilder von geringem Wert zu stark überhöhten Preisen kauft oder verkauft. Diese Methode hat ein Exminister der Regierung Sarkozy angewandt, um illegal Mittel für den Wahlkampf zu generieren.

Aus welchen illegalen Geschäften 
stammen die Gelder, die über Kunst 
gewaschen werden?
Ein wichtiger Bereich sind Drogengeschäfte, vor allem in Südamerika. Dann aus klassischen Vermögensdelikten wie Betrug oder Veruntreuung, aber auch aus Korruption oder aus der Plünderung von Staatskassen.

Der Schweizer Kunsthandel 
argumentiert, dass der Handelsplatz Schweiz viel zu klein sei, um 
im grossen Stil Geld zu waschen.
Das ist ein absurdes Argument. Die Grösse ist völlig irrelevant. Der Kunsthandelsplatz Schweiz ist einer der bedeutendsten und begünstigt das sogar, unter anderem mit den Zollfreilagern.

Inwiefern?
Zollfreilager lagern Waren anonym. Sie werden so gut wie nicht kontrolliert und die Waren nicht versteuert. Werke können dort den Besitzer wechseln, ohne dass jemand davon erfährt. Zollfreilager sind wie Inseln, die aus dem normalen Rechtsleben ausgeschnitten sind.

Müsste denn die Oberzolldirektion 
nicht genauer hinschauen, 
was in diesen Zollfreilagern liegt?
Bezüglich Geldwäscherei ist das nicht so klar geregelt. Dabei sind Zollfreilager nicht für die Dauerlagerung vorgesehen, das entspricht nicht dem Gesetz. Es sind Transiträume. Damit ist gesagt, dass eine jahrzehntelange Lagerung unzulässig ist. Der Zoll müsste Kontrollen machen. Doch man stellt fest, dass gerade das Zollfreilager Genf kaum kontrolliert wird. Das ist für mich inakzeptabel.

Könnten die Dunkelkammern 
Kunstmarkt und Zollfreilager den Ruf der Schweiz gefährden?
Für mich ist klar, dass das ein massives Reputationsrisiko ist. Wir haben ja Erfahrung mit Rufrisiken, die man verschlafen hat. Hier ist eins, das man angehen muss.
 

*Monika Roth ist Professorin an der Hochschule Luzern und Vizepräsidentin des Strafgerichts Basel-Landschaft. Sie ist spezialisiert auf Compliance und Geldwäscherei. Dieses Interview erschien zuerst in unserer Schwester-Publikation, dem Beobachter.