Jeder Dritte der rund acht Milliarden Menschen der Welt kommt aus China oder Indien. Dort leben je rund 1,4 Milliarden. Und lange war China die Nummer eins mit der grössten Bevölkerung der Welt.
Das wird sich bald ändern: Denn nun soll die Bevölkerungszahl Indiens nach Schätzungen des UN-Bevölkerungsfonds UNFPA für Mitte des Jahres höher sein als die von China, wie aus Daten des am Mittwoch veröffentlichten Weltbevölkerungsberichts der Organisation hervorgeht. In Indien sollen dann demnach 1,4286 Milliarden Menschen leben, in China 1,4257 Milliarden.
Doch wann Indien China genau ablöst, könne niemand sagen, hiess es von den Vereinten Nationen. Demnach fehlen schlicht die genauen Daten. In Indien beispielsweise stammen die Zahlen der letzten Volkszählung aus dem Jahr 2011.
China droht ein Arbeitskräftemangel
Das Bevölkerungswachstum Indiens dürfte aber angesichts seiner überwiegend jungen Bevölkerung noch mehrere Jahrzehnte andauern. Chinas Bevölkerung hingegen schrumpfte im vergangenen Jahr erstmals seit Jahrzehnten und dürfte das auch weiter tun.
Die Volksrepublik hatte laut ihrem Statistikamt Ende des Jahres nur noch 1,411 Milliarden Einwohner und damit rund 850'000 weniger als ein Jahr zuvor. Auf den Überschuss an Werktätigen, der Chinas Wirtschaftswunder als «Werkbank der Welt» angekurbelt hatte, werde Arbeitskräftemangel folgen, warnen Experten.
Indien hat derzeit noch deutlich mehr junge als alte Menschen, mehr potenziell Werktätige, die die Wirtschaft voran bringen könnten. Indische Politiker haben diese Tatsache immer wieder als «Demografische Dividende» bezeichnet, als Booster für die Wirtschaft und als Chance, die Lebensumstände von Millionen zu verbessern.
Aber noch gibt es für die vielen Menschen zu wenige Jobs – und die Schaffung von neuen ist eine der grössten Herausforderung für die Regierung von Premierminister Narendra Modi.
China und Indien wollen Bevölkerungswachstum verlangsamen
Das Bevölkerungswachstum wird auch immer wieder gern von Populisten ausgenutzt. In dem mehrheitlich hinduistischen Indien werfen beispielsweise radikalere Hindus der muslimischen Minderheit vor, sie zeuge mit Absicht mehr Kinder und wolle das religiöse Gleichgewicht ändern.
Angesichts antizipierter Probleme haben beide Länder Bemühungen unternommen, ihr Bevölkerungswachstum zu verlangsamen – und beide asiatischen Nationen haben dies geschafft.
Indien hat seit 1952 ein entsprechendes Programm lanciert – und die Menschen dazu aufgerufen, kleine Familien zu haben. Eine klar vorgeschriebene Politik wie etwa Chinas «Ein-Kind-Politik» gab es in dem Land jedoch nie. Das Programm scheint geholfen zu haben, die Geburtenrate zu senken. Inzwischen haben Inderinnen nach offziellen Zahlen noch 2.0 Kinder im Durchschnitt.
Auch nutzten nach Regierungsangaben rund zwei Drittel der Paare Verhütungsmittel. Diese sind in Indien kostenlos erhältlich. Für Sterilisationen gibt es gar finanzielle Anreize vom Staat. Früher wurden Menschen in dem Land teils zur Sterilisierung gezwungen.
Chinesinnen haben im Schnitt gar nur noch 1,18 Kinder, heisst es von offizieller Seite. Die Auswirkungen der seit 1979 verfolgten irrigen «Ein-Kind-Politik» werden nun immer spürbarer. Die Aufhebung der umstrittenen Geburtenkontrolle führte 2016 nur kurz zu einem leichten Anstieg der Geburten. Die hohen Kosten für Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung sowie die schwindende Bereitschaft zur Heirat sind wesentliche Gründe. Nur ein Kind zu haben, ist in China heute die soziale Norm. Zwei Generationen haben es nie anders erlebt.
China wird immer älter
Als Reaktion auf den Geburtenrückgang und die rapide Überalterung in China wurden 2021 auch drei Kinder erlaubt. Ausserdem bemüht sich die Regierung seither, es jungen Paaren leichter zu machen, für Kinder zu sorgen. Die Kosten für Kindergärten und Schulbildung wurden gesenkt. Finanzhilfen wurden gewährt, Mutterschafts- und Elternurlaub erleichtert. Viele Frauen befürchten, dass sich eine Mutterschaft negativ auf ihre berufliche Karriere auswirkt.
So wird in China die Gesellschaft zunehmend älter – wie in westlichen Ländern. Schon länger müssen immer weniger Werktätige immer mehr alte Menschen versorgen. Jeder fünfte Chinese ist heute älter als 60 Jahre. Unterstützten 2020 fünf Beschäftigte zwischen 20 und 64 Jahren einen älteren Menschen über 65 Jahre, werden es 2050 nur noch 1,5 Arbeitnehmer sein. In Indien hingegen ist noch die Hälfte der Bevölkerung jünger als 30 Jahre. Aber nicht für alle, die arbeiten wollen, gibt es auch einen Job.
(sda/mth)