Der prominente Putin-Kritiker Alexej Nawalny ist zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Ein Gericht in Moskau sprach den russischen Oppositionellen und seinen Bruder Oleg am Dienstag in einem umstrittenen Betrugsprozess schuldig.
Trotz seines Hausarrests wegen einer älteren Strafe ging der bekannte Oppositionspolitiker am Dienstagabend zu einer Demonstration im Zentrum von Moskau und wurde vorübergehend festgenommen.
Bruder muss ins Straflager
«Einfach hingehen und nicht selbst weggehen, das ist mein ganzer Plan», sagte Nawalny, der seine Verurteilung scharf kritisiert hatte. Seinen Bruder Oleg schickte das Moskauer Gericht für dreieinhalb Jahre ins Straflager.
Insgesamt nahmen die Sicherheitskräfte mehr als 240 Menschen bei der nicht genehmigten Protestaktion im Herzen Moskaus fest. Die Polizei sprach von insgesamt 1500 Demonstranten, Beobachter berichteten von wenigen Tausend. Angekündigt hatten sich mehr als 18'000.
Demonstration bei minus 15 Grad
Bei klirrender Kälte und minus 15 Grad Celsius skandierten die Teilnehmer "Russland ohne Putin" und «Freiheit für Nawalny». Nach gut zweieinhalb Stunden trieben die Polizeikräfte die Menge auseinander. Die Polizei brachte Nawalny nach seiner Festnahme zurück in seine Wohnung.
Den Nawalny-Brüdern wird vorgeworfen, Geld unterschlagen und über ein Firmengeflecht legalisiert zu haben. Der Richterspruch fiel deutlich milder aus als von Beobachtern erwartet: Zehn Jahre Haft hatte die Staatsanwaltschaft für den 38-jährigen Nawalny gefordert.
Betrugsvorwürfe an die Nawalny-Brüder
Regierungsgegner kritisierten, Oleg Nawalny werde mit der Haftstrafe als «Geisel» genommen. Seine Anwälte legten Berufung ein, und auch Alexejs Verteidiger sowie die Staatsanwaltschaft kündigen dies an.
Die beiden Brüder sollen laut Anklage den französischen Kosmetikkonzern Yves Rocher um fast 27 Millionen Rubel (laut damaligem Wechselkurs rund 600'000 Franken ) betrogen haben, als das Unternehmen ihren Vertriebsdienst benutzte.
Der Finanzdirektor der russischen Filiale von Yves Rocher, Christian Melnik, gab allerdings eine Erklärung ab, nach der dem Unternehmen durch die Kooperation mit dem Vertriebsdienst der Brüder Nawalny letztlich kein Schaden entstand.
Ursprünglich hatte Yves Rocher jedoch eine Klage gegen Unbekannt eingereicht, weil das Unternehmen davon ausgegangen war, der Transportdienst hätte billiger ausgeführt werden müssen.
«Der gesamte Prozess ist politisch»
Alexej Nawalny, prominenter Blogger und Anwalt, weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Die Verurteilung seines Bruders bezeichnete er am Dienstag als eine «Schweinerei».
Die Staatsführung versuche nicht nur, ihre Gegner mundtot zu machen, sondern nehme auch deren Verwandte ins Visier, sagte Nawalny vor dem Gerichtsgebäude. Gleichzeitig schickte er eine Kampfansage an Russlands Staatschef Wladimir Putin: «Dieses Regime hat kein Recht zu existieren, es muss zerstört werden.»
Nawalnys Unterstützer werteten den Schuldspruch als Versuch, den prominenten Regierungsgegner einzuschüchtern. Der Kreml versuche, die politischen Aktivitäten Nawalnys in Hinblick auf die Präsidentschaftswahl 2018 zu kontrollieren, sagte der russische Oppositionelle Leonid Wolkow. Die Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa von der Moskauer Helsinkigruppe meinte: «Der gesamte Prozess ist politisch.»
(sda/gku)