Kommenden Mittwoch bestellt der Schweizerische Gewerbeverband einen neuen Direktor. Nominiert ist Urs Furrer, 51-jährig, ein im Aargau lebender Anwalt mit Wirtschaftsprofil der Uni St. Gallen und FDP-Mitglied. Er ist derzeit Verbandschef in der Schoko- und Biskuitbranche

Der breiten Öffentlichkeit ist Furrer zwar noch nicht bekannt. Aber sein Zugang zu Parlament und Verwaltung ist verbürgt. So schaffte er es unlängst auch, Seco-Chefin Helene Budliger Artieda zu einer Rede vor Verbandsmitgliedern zu bewegen, darunter Lindt & Sprüngli sowie Mondelez und Cailler von Nestlé Schweiz.

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Furrers Kandidatur erreicht ein erhitztes Milieu, das sich zunehmend entlang nationaler Parteilinien politisiert und rivalisierend auftritt. Je länger, desto mehr spielt es eine Rolle, ob man der SVP, der Mitte oder der FDP angehört. Dies zeigt exemplarisch der bisherige Gewerbeverbandsdirektor, Hans-Ulrich Bigler. Er ist im Juni altershalber abgetreten. 

Lange war Bigler FDP-Mitglied, doch dann wechselte er zur SVP, für die er jetzt kandidiert. Der nationale Gewerbeverband geriet in den Sog von SVP-Interessen, und so versuchte Bigler, seinen Stellvertreter Henrique Schneider als Nachfolger zu installieren. Dieses Vorgehen schadete dem Verband: Schneider gilt als Ideologe der Laisser-faire-Politik – er ist einer, der Kompromisse ablehnt. Diese Haltung zeigte er etwa als Mitglied der Wettbewerbskommission, wo er dafür plädierte, dass gewisse Absprachen nicht mehr zu büssen seien. 

Eine Mehrheit des Gewerbes, der etliche Mitte- und FDP-Vertreter angehören, erkannte den potenziellen Rufschaden und lehnte es ab, einen Ultraliberalen zum Direktor zu machen. Seitdem besteht ein Vakuum an der Spitze. Dieser Zustand ist bedenklich, spielt der Spitzenverband doch institutionell eine bedeutende Rolle: Er ist einer von vier nationalen Sozialpartnern.

Dort werden wirtschaftspolitisch die wichtigsten Weichen gestellt. AHV-Reform? Die Sozialpartner entscheiden. Pensionskassenreform? Die Sozialpartner entscheiden. Neue Mindestlöhne? Die Sozialpartner entscheiden. Das heisseste Thema ist derzeit aber die EU-Politik. Der Bundesrat will, dass die vier Spitzenverbände untereinander ausmachen, ob die hiesigen Lohnkontrollen gelockert werden, um der harschen Kritik der EU-Länder zu begegnen. Der Preis, der dafür winkt, wäre die Stabilisierung der bilateralen Verträge.

Die Gewerbekammer, das hundertköpfige Parlament des Verbandes, tut gut daran, die Chance zu packen und Urs Furrer zum Direktor zu wählen. Er habe das Rüstzeug, heisst es unter Gewährsleuten. Er kenne die Politik aus dem Effeff, habe Talent für politische Netzwerke und sei ein Schaffer. Nur den öffentlichen Auftrag müsse er noch üben, hört man. Einen «stillen Schaffer» an der Gewerbeverbandsspitze verträgt es nicht.