Arbeiter aus Nepal, Indien, Thailand, in Baracken gepfercht, mit mickrigen Löhnen abgespeist. Knechte, ja Zwangsarbeiter, die auf ungesicherten Baustellen täglich ihre Gesundheit riskieren und zu Tausenden sterben, damit Fussball-Fans 2022 in prunkvolle neue Stadien einströmen können. Auf diese prekären Zustände auf den WM-Baustellen in Katar haben Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen immer wieder aufmerksam gemacht. Von den politisch Verantwortlichen in Katar wurden die drastischen Vorfälle lange geleugnet. Jetzt haben die Arbeitnehmervertreter einen Erfolg erzielt.
Die Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI) hat erreicht, dass die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen künftig durch Inspekteure überprüft werden. Das bedeutet Hoffnung für Tausende Gastarbeiter, deren Umstände bislang nur undercover festgestellt werden konnten. Jetzt sind offizielle Besuche möglich.
«Resultat des steigenden Drucks»
Dabei wird auch die Schweizer Unia unterstützen: Einen Teil der Kontrolleure will die Schweizer Gewerkschaft entsenden. «Die positive Entwicklung ist das Resultat des steigenden Drucks auf die Fifa und die Austragungsländer, die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitenden ernst zu nehmen», heisst es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Auch die Fifa begrüsste den Vorstoss.
Rita Schiavi, von Seiten der Unia verantwortlich für die Katar-Kampagne, ist in diesen Tagen vor Ort, um mit Unternehmen und Arbeitern zu sprechen. Die geplanten Inspektionen stimmen sie positiv. Sie sagt: «Wir hoffen, durch das neue Abkommen vor allem die Bedingungen derjenigen verbessern zu können, die bisher durch das Raster gefallen sind.»
Erst die Hälfte von 30'000 Gastarbeitern
Die Bedingungen der Gastarbeiter in Katar sind heute teilweise akzeptabel. Etwa in dem Arbeiterdorf des französischen Baukonzerns Vinci, das Schiavi am Morgen besucht hat. 1200 Angestellte leben dort in Wohnungen für jeweils zwölf Personen, pro Zimmer maximal vier Personen. Sie teilen ein gemeinsames Bad und verfügen über einen Aufenthaltsraum. Ihre Mahlzeiten werden ihnen gratis und mit Rücksicht auf ihre persönlichen Vorlieben geliefert, eine Krankenstation hält Medikamente bereit. Es gibt einen Fussballplatz, einen Computerraum und kostenlose Englischkurse nach Feierabend.
Bei grossen Unternehmen habe die öffentliche Aufmerksamkeit Früchte getragen, so Schiavi. Doch erst die Hälfte der 30'000 Gastarbeiter auf WM-Baustellen in Katar, schätzt Schiavi, können ihre Aufgaben zu menschenwürdigen Bedingungen verrichten. Gerade dort, wo Kontrollen am schwierigsten sind – bei kleinen Firmen und Subunternehmern –, erhofft sie sich künftig Verbesserungen.
Sicherheitsbeauftrage nach europäischem Vorbild
Doch wie immer steckt der Teufel im Detail: Noch ist unklar, wann und wie die Kontrollen genau stattfinden können. Die erste Runde der Baustellenvisiten ist fürs Frühjahr 2017 geplant, bis dahin entwickelt eine internationale Gewerkschaftskommission die Grundlagen.
Sie wollen zum Beispiel gerne katarische Inspekteure ausbilden. «Wir wollen die Beschäftigten selbst einbeziehen, indem wir sie nach europäischem Vorbild zu Sicherheitsbeauftragten ausbilden», sagt Schiavi. An wen diese im Zweifelsfall berichten würden, ist aber bisher ungeklärt. Ebenso die genaue Häufigkeit und der Umfang der Inspektionen. Hier gilt es in den kommenden Monaten, wirksame Verfahren zu entwerfen.