Und wieder macht das Bundesamt für Gesundheit negativ auf sich aufmerksam. Nach den Schutzausrüstungen, die zu Beginn der Pandemie nicht vorhanden waren, einem Zickzackkurs bei der Kommunikation darüber, ob Masken nun gegen das Virus schützen oder nicht (sie tun es) und einer zu zögerlichen Impfstoffbeschaffung geht es nun ums elektronische Impfbüchlein.
Wie die Kolleginnen und Kollegen der Online-Zeitung «Republik» herausgefunden haben, weist die mit 700'000 Franken vom Bund alimentierte Plattform gravierende Sicherheitsmängel auf.
Offenbar war es möglich, sich mit im Netz verfügbaren Informationen als falscher Arzt zu registrieren und damit Zugriff auf sensible Informationen zu 450'000 Patientinnen und Patienten zu bekommen und diese auch zu verändern. Zu den Daten gehörten nebst Name, Vorname, Telefonnummer und Geburtsdatum auch maximal schützenswerte Angaben zu Vorerkrankungen oder Risikofaktoren.
«Die Sicherheitsprobleme beim digitalen Impfbüchlein sind ein Schlag für die dringend nötige Digitalisierung des Gesundheitswesens.»
Inzwischen wurde die Seite vom Netz genommen. Das ist, man kann es nicht anders sagen, ein GAU. Man stelle sich vor, ein Pharmaunternehmen wie Roche oder Novartis liesse sich einen derart skandalös fahrlässigen Umgang mit höchst sensiblen Gesundheitsdaten zuschulden kommen: Die Konsequenzen wären unabsehbar.
Das Bundesamt für Gesundheit aber hält an der Zusammenarbeit mit Meineimpfungen.ch fest. Zudem weist die BAG-Direktorin Anne Levy jede Verantwortung von sich.
Kompromittierte Daten?
Dabei hilft in der jetzigen Situation nur noch eines: ein bedingungsloses Bekenntnis, die Vorgänge rund um das elektronische Impfbüchlein lückenlos aufzuklären und die Verantwortlichkeiten zu erhellen. Nur so kann es gelingen, das verlorene Vertrauen in die digitale Erfassung von Gesundheitsdaten wieder herzustellen.
Welche Konsequenzen die Affäre haben wird, lässt sich zurzeit nur erahnen. Die Daten könnten kompromittiert sein. Es könnte zu Verzögerungen beim Impfpass kommen – ein weiterer hausgemachter und deshalb völlig unnötiger Rückschlag in der Pandemiebekämpfung.
Blaupause in der Grauzone
Doch es geht um mehr als um die Sommerferien. Die Sicherheitsprobleme beim digitalen Impfbüchlein sind ein Schlag für die dringend nötige Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens.
Meineimpfungen.ch hätte eine Blaupause fürs elektronische Patientendossier werden können. Die Plattform hätte zeigen können, dass Gesundheitsdaten digital sicher erfasst und verwaltet werden können. Und welch unglaubliches Potenzial in der Digitalisierung des Gesundheitswesens steckt. Nicht nur für die Kranken, sondern für alle.
Nun ist sie zur Hypothek geworden. Zum Schaden von uns allen.