Und wieder droht einer sinnvollen und angemessenen Vorlage in der Volksabstimmung das Aus. Mit der im September versenkten Reform der Pensionskassen hätten die Renten der steigenden Lebenserwartung angepasst und ungesteuerte und systemwidrige Querfinanzierungen von den Berufstätigen zu den Rentnern und Rentnerinnen vermieden werden sollen.
Nun geht es darum, eine der schädlichsten Ineffizienzen im Gesundheitswesen zu beseitigen. Konkret: Die Privilegierung stationärer Spitalleistungen soll gestrichen werden; diese werden heute zu rund 50 Prozent steuerfinanziert. Stattdessen sollen künftig alle Spitalleistungen, ob ambulant oder stationär, zu 73 Prozent von den Krankenkassen und zu 27 Prozent von den Kantonen getragen werden. Doch auch das dürfte scheitern.
Alle standen dahinter, bis ...
Dabei hat es lange bestens ausgesehen für die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Spitalbehandlungen, kurz Efas. Nicht nur das Parlament, auch alle entscheidenden Akteure im Gesundheitswesen, von den Kantonen über die Spitäler bis zu den Berufsorganisationen, hatten sich hinter das neue, einheitliche Finanzierungskonzept gestellt. Um mit ihm dafür zu sorgen, dass mehr Spitalbehandlungen ambulant, also kostengünstiger durchgeführt werden.
Doch jetzt wird es trotzdem eng. Grund ist die Kehrtwende der SP, die sich nach der gewonnenen Schlacht um die BVG-Reform von den Gewerkschaften vor sich hertreiben lässt und die deshalb nun, anders als in den parlamentarischen Beratungen, von ihrer positiven Haltung zur Efas nichts mehr wissen will. Doch auch die SVP hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Mit dem Nein der Parteileitung hat die Rechtspartei einmal mehr bewiesen, wie dünn das Eis bei ihr ist, wenn es darum geht, Probleme freiheitlich und im Sinne eines funktionierenden Wettbewerbs zu lösen.
Zynisches Kalkül
Das Kalkül hinter dem Widerstand gegen die Efas ist geradezu zynisch. Dass bei einem Nein ein Sparpotenzial von mehreren hundert Millionen Franken im Gesundheitswesen nicht gehoben wird, weil Spitalbehandlungen stationär statt ambulant durchgeführt würden? Und das ohne, dass es zu einem Qualitätsverlust kommt. Zählt nicht.
Ebenso unterbelichtet ist, dass das heutige System Ärztinnen und Ärzte in ein Dilemma stürzt. Denn sie müssen bei ihren Entscheidungen nicht nur medizinische, sondern auch finanzielle Aspekte in Betracht zu ziehen. Schliesslich belastet jede ambulante Behandlung die Spitalfinanzen. Eben weil man dem Kanton dafür nichts in Rechnung stellen kann. Dass bei einer Ablehnung der Efas weiterhin Patienten und Patientinnen Spitalbetten und personelle Ressourcen beanspruchen, die von anderen eigentlich dringender benötigt würden? Tant pis. Hauptsache, man kann sich als Verteidigerin eines «sozialen», also zu einem möglichst grossen Teil steuerfinanzierten Gesundheitswesens profilieren.
Ganz absurd wird es, wenn die Gewerkschaften sagen, man könne die an sich auch von ihnen gewünschte Stärkung der ambulanten Spitalversorgung ja auch gesetzlich verordnen. Das würde heissen, man inszeniert Fehlanreize, um diese dann wieder mit viel Aufwand zu übersteuern. Kaum vorstellbar, dass das ohne eine weitere Schippe Bürokratie in einem ohnehin vielerorts im roten Bereich drehenden Spitalalltag gehen würde.
Kein Sinn mehr fürs Ganze
Ob BVG oder Efas – beide Vorlagen zeigen: In der Schweizer Politik ist etwas aus dem Lot geraten. Die Bereitschaft nimmt ab, im Sinne des Ganzen auch nur minimalste Konzessionen zu machen. Stattdessen bedient man zuverlässig Partikularinteressen, wie jetzt bei der Efas und zuvor beim BVG. Oder man zimmert Volksinitiativen, die genau so aufgesetzt sind, dass eine Mehrheit profitiert.
Das Vorgehen dabei ist ganz einfach. Man nehme eine Bevölkerungsgruppe, die das Potenzial hat, für Mehrheiten zu sorgen, verspreche ihr zusätzliche Sozialleistungen, und das so geschnürte Paket trägt dann die Aufschrift «Soziale Gerechtigkeit». So hat es die Linke mit der 13. AHV-Rente gemacht, mit der eine Generation von Babyboomern, von denen viele finanziell längst ausgesorgt haben, zulasten der jüngeren Generationen gepampert wurde. Und so macht es nun Mitte-Präsident Gerhard Pfister nach mit seiner Initiative für eine Angleichung der AHV-Ehepaarrenten an jene von Konkubinatspaaren.
Pech für alle, die aus dem Rahmen fallen
Bei den AHV-Rentnerinnen und -Rentnern sind zwei Drittel verheiratet oder leben in einer festen Partnerschaft. Bei den Fünfzig- bis Sechzigjährigen, die bald in Rente kommen und deshalb ebenfalls profitieren werden, sind es sogar drei Viertel. Da stehen die Chancen gut, auch als ewiger Mehrheitenbeschaffer aus der Mitte heraus mal auf die Siegerstrasse zu kommen und etwas für die eigene Profilierung tun zu können. Für all diejenigen, die das Unglück haben, einen Lebensentwurf zu verfolgen, der nicht in eine der mehrheitsfähigen Schablonen passt, oder deren Interessen sich im politischen Prozess nicht so leicht organisieren lassen, heisst es dagegen: Pech gehabt.
Klar ist: Eine Politik, die nur noch die Interessen einzelner Gruppierungen im Auge hat und jeden Blick fürs Gesamtwohl verloren hat, spaltet. Auch wenn sie vorgibt, den sozialen Zusammenhalt fördern zu wollen. Und klar ist auch: Eine solche Politik gefährdet das, was den Erfolg der Schweiz ausmacht. Dazu gehören eine gesunde Skepsis gegenüber einem Zuviel an ideologischer Verve, die Bereitschaft, im Sinne pragmatischer Problemlösungen auch mal über den eigenen Schatten zu springen und ein gutes Augenmass bei allem, was Wirtschaft und Gesellschaft finanziell zu sehr belastet. Schade.