Deutsche Urlauber können sich diesen Sommer ganz wie zu Hause fühlen. Ob in Spanien, Griechenland, Italien oder Portugal: Erstmals können sie sich die Spiele ihrer Fussballnationalmannschaft auf dem Handy oder Tablet via Live-Streaming mit heimischem Kommentar anschauen. Möglich macht dies eine Neuregelung der EU, welche die Nutzung von Streaming-Diensten in anderen Ländern möglich macht.
 
Beim Schweizer Internet-TV-Anbieter Zattoo reibt man sich bereits die Hände. «Für die Deutschen ist es unheimlich wichtig, im Urlaub die Spiele ihrer Nationalmannschaft über die deutschen Kanäle zu sehen», sagt Jörg Meyer, Chief Officer Content and Consumer. Im Unternehmen rechnet man mit einem beträchtlichen Anstieg der kostenpflichtigen Abonnements von Zattoo in Deutschland.

 

 
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Keine Nati, kein Netflix für Schweizer im Ausland

 
Schweizer Fussballfans gucken dagegen in die Röhre. Anders als in der EU bleibt alles beim Alten – und das heisst: Bis auf weiteres keine Schweizer Nati in den Ferien im Ausland und auch keine Serien und Filme über die abonnierten Streaming-Dienste wie Netflix. Der Grund: Die Ausstrahlungsrechte sind nur auf ein bestimmtes Land begrenzt. Deshalb blockieren die Sender die Übertragung im Ausland.
 
Daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern: Im neuen Urheberrechtsgesetz fehlen Massnahmen gegen das sogenannte Geoblocking, mit dem das Angebot für das Zielpublikum eingeschränkt werden kann. Während also die EU solche Ländersperren abbaut, macht man beim Bund erst einmal eine Bestandesaufnahme. Danach prüfe man, ob weitere Schritte nötig seien, heisst es beim Institut für Geistiges Eigentum.
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Bei Kleidung und Haushaltgeräten: Deutlicher Preisunterschied bei identischer Ware.

Quelle: ZVG
Die Abschaffung der Ländersperren im Internetfernsehen ist nur ein Teil einer breiteren Offensive der EU mit dem Ziel, sämtliche Schranken in den digitalen Märkten aus dem Weg zu räumen. Nicht nur im Streaming, sondern auch im Online-Handel. Vor kurzem hat sich die EU auf eine Verordnung zum Verbot von Geoblocking geeinigt. Es soll nicht länger möglich sein, dass Online-Händler Kunden aus anderen Ländern sperren oder sie automatisch umleiten.
 
Der Vergnügungspark Disneyland Paris zum Beispiel hat dies über Jahre hinweg praktiziert: Kunden wurden dazu gezwungen, ihre Eintrittskarten auf einer landeseigenen Website des Unternehmens zu kaufen. In Ländern wie Deutschland freilich zu einem deutlich höheren Preis als in anderen EU-Ländern. Fortan sollen EU-Bürger über Grenzen hinweg ganz wie zu Hause auch online ihre neuen Möbel kaufen, Hotelzimmer buchen oder ihre Kreditkarte benutzen können. Noch vor den kommenden Weihnachten soll das Verbot in Kraft gesetzt werden.
 

Thema Geoblocking fehlt auf Agenda des Bundesrates

Während die EU sich daran macht, Mauern und Zäune in den digitalen Märkten einzureissen, fehlt das Thema auf der Agenda des Bundesrats. Im Dezember hat Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann ein Massnahmenpaket zur Verringerung der Hochpreisinsel geschnürt. Massnahmen gegen das Geoblocking sucht man vergeblich. Stattdessen fokussiert der Wirtschaftsminister auf die Abschaffung der Industriezölle, die insbesondere zu einer administrativen Entlastung aufseiten der Unternehmen führen soll. Nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein sei das, kritisieren Konsumentenschützer. Verschläft die Schweiz hier gerade eine wichtige Entwicklung?
 
Preisüberwacher Stefan Meierhans befürchtet genau dies. Ähnlich wie beim Roaming – EUBürger zahlen im Gegensatz zu Schweizern keine zusätzlichen Handygebühren im Ausland mehr – drohe die Schweiz den Anschluss an die fortschrittliche EU-Lösung zu verpassen. «Die Schweiz könnte im Online-Handel vom EU-Binnenmarkt abgeschottet bleiben, mit den entsprechend negativen Konsequenzen für die Preise.»
 
Meierhans begrüsst deshalb das Verbot der EU ausdrücklich. «Wir sollten in der Schweiz einen Weg finden, hierbei gleichzuziehen.» Er fordert, dass der Gesetzgeber Verhandlungen mit der EU aufnimmt. Derweil kommt aus dem Parlament bereits der Ruf, der Bundesrat solle eine Taskforce Geoblocking ins Leben rufen.
Preisvergleich Sofa

Das gleiche Möbel kostet im Ausland weniger – online bestellen geht aber nur auf Schweizer Seiten.

Quelle: ZVG
Unerwartete Rückendeckung erhalten diese Stimmen nun von der Wettbewerbskommission (Weko): «Wir stehen Beschränkungen im Online-Handel sehr kritisch gegenüber», konstatiert Weko-Präsident Andreas Heinemann. Heute kann die Weko nicht eingreifen, wenn ein ausländischer Händler, der nicht marktbeherrschend ist, Geoblocking zum Nachteil von Schweizer Kunden betreibt. Es würde daher allenfalls Sinn machen, «in diesem Bereich gesetzgeberisch aktiv zu werden», erklärt Heinemann.
 
Überdies möchte die Weko sicherstellen, dass in der Schweiz im Bereich der vertikalen Abreden möglichst die gleichen Regeln zur Anwendung kommen wie in der EU, um eine Isolierung der Schweizer Märkte zu vermeiden. «Es liegt deshalb nahe, dass die Schweiz EU-kompatible Massnahmen gegen das Geoblocking ergreift.»
 

Teure Schweizer Websites

Der Wettbewerbshüter stösst damit offene Türen im Komitee der Fair-Preis-Initiative auf. Das Volksbegehren will erreichen, dass Schweizer Unternehmen Produkte bei ausländischen Herstellern und Importeuren zu den gleichen Preisen beziehen können wie Abnehmer im Ausland. Dabei enthält die Initiative auch einen Passus, der besagt, dass der diskriminierungsfreie Einkauf im Online-Handel sichergestellt werden muss.
 
«Der Hotellerie würde es weltweit günstigere Einkaufsmöglichkeiten bringen, wenn die Betriebe nicht länger auf die deutlich teurere Schweizer Webseite verwiesen würden», erklärt Christophe Hans vom Verband Hotelleriesuisse, der sich hinter die Initiative gestellt hat. Es bestehe daher dringender Handlungsbedarf.
In der E-Commerce-Branche indes dominiert die Auffassung, dass eine Jagd nach einem Phantom stattfinde. Patrick Kessler vom Verband der Schweizer Versandhändler (VSV) ist überzeugt, dass Geoblocking ein Auslaufmodell ist. «Wir beobachten, dass die Preisunterschiede im Nonfood-Bereich immer kleiner werden.»
 
Noch würden einige wenige Exponenten Geoblocking betreiben, um markante Preisunterschiede aufrechterhalten zu können. Doch ihre Zeit laufe ab. Das Internet erlaube es den Konsumenten, zu vergleichen. Seien die Preisunterschiede gross, fänden sie Wege, um Geoblocking zu umgehen. Bereits heute seien bestimmte Markenprodukte (Adidas, Nike) für Schweizer Konsumenten auf Amazon günstiger erhältlich als in Deutschland.
 
Tatsächlich werden Online-Shopper heute nur noch in Einzelfällen automatisch auf den (teureren) Shop in der Schweiz weitergeleitet, etwa beim Reiseveranstalter Tui oder dem Kleiderhändler About you. Die meisten grossen Händler ermöglichen es Schweizer Kunden, auf ihren ausländischen Websites im Sortiment zu stöbern. Sie können auch meist den Warenkorb füllen und die Bestellung ausführen.
 
Spätestens wenn es aber darum geht, die Zahlungsmodalitäten auszufüllen, laufen sie ins Leere. Dann heisst es, die Lieferung sei nur im eigenen Land möglich. Dies ist bei Zalando.de ebenso der Fall wie bei den meisten grösseren Online-Händlern.
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Deutliche Preisunterschiede bei Wintermänteln zeigt dieser Verlgeich.

Quelle: ZVG
E-Commerce-Spezialist Thomas Lang warnt jedoch davor, diese Händler als böse einzustufen – und ihnen Margenabschöpfung vorzuwerfen. «Online-Shops werden oft zu Geoblocking gezwungen, weil sie gesetzliche Vorgaben in einzelnen Ländern erfüllen müssen und unterschiedliche Steuersätze und Transportkosten gelten», sagt der Carpathia-Berater. Jene Politiker, die nun ungehinderten Zugang zu allen ausländischen Websites forderten, seien dieselben, die diese mit ständig neuen Vorschriften zudeckten.
 

EU-Regelung als Farce

Dabei kam auch die EU vom ursprünglichen Plan ab, von den Online-Händlern eine Lieferpflicht zu fordern. In einer Klausel heisst es, dass EU-Online-Händler zwar in alle EU-Länder verkaufen, aber nicht liefern müssen. Konsumenten, die bei einem Online-Händler im Ausland Waren einkaufen, müssen die Ware deshalb vor Ort abholen.
 
Von der Regelung betroffen ist auch der grösste Online-Händler der Schweiz, Digitec Galaxus. Noch in diesem Jahr will die Migros-Tochter in den deutschen Markt einsteigen. Das Unternehmen kann der EU-Regelung nichts abgewinnen. «Mit dieser Abholklausel verkommt die EU-Regelung zur Farce», erklärt Digitec-Galaxus-Chef Florian Teuteberg. Kunden könnten mit einem einfachen Browser-Plug-in bereits auf blockierte Länderseiten zugreifen.
 
Für Teuteberg zeigt die neue Regelung, dass die Politik von der Digitalisierung masslos überfordert ist. Dem Kunden werde ein Verbot des Geoblockings nur wenig bringen. «Es zwingt den Unternehmen nur mehr Pflichten und entsprechende Umsetzungskosten auf.»

Auch in der EU sind die Hürden für den Einkauf im Ausland hoch.