Es begann mit einer Vorwarnung: Die Armeeflugschau «Air Spirit 24» und weitere Armeeanlässe müssen dieses Jahr abgesagt werden. Ein Schock für jene Armeefreunde, die sich an solchen Anlässen bestätigen lassen.

Danach kamen letzte Woche Schlag auf Schlag dramatische Nachrichten zum Finanzloch bei der Armee. Zunächst war von 1 Milliarde Franken die Rede, dann von 1,4 Milliarden für ungedeckte Rüstungsbestellungen. Bundespräsidentin und VBS-Chefin Viola Amherd rief verdutzten Journalisten und Journalistinnen im Vorbeigehen nur «Keine Lücke!» zu – und verschwand gänzlich auf Tauchstation. In dieser Erklärungsnot überliess sie dem Armeechef Thomas Süssli die Rechtfertigung, der dann auf der Sprachregelung «Bloss Liquiditätsengpass» insistierte.

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In diesem Jahr müssen nun 800 Millionen Franken Zahlungsverpflichtungen auf 2025 verschoben werden. Im 2025 dann 400 Millionen aufs Jahr danach. Das zuständige Departement VBS muss nun mit den Lieferanten kostspielige Liefer-  und Zahlungsaufschübe aushandeln. 

Der Gastautor

Rudolf Strahm ist ehemaliger Preisüberwacher und Ex-SP-Nationalrat.

Armeechef Süssli ging später, nach der eiligen Pressekonferenz, in die Offensive. Er drohte mit der vorzeitigen Ausserbetriebnahme von Waffen, die am Lebensende stünden. «Wenn wir morgen eine Mobilmachung hätten, könnten wir nur etwa einen Drittel der Armee vollständig ausrüsten. Ich kann diese Situation nicht verantworten», so Süssli. Besteht hier eine versteckte Agenda, das Parlament nächstens für zusätzliche Rüstungskredite weichzuklopfen?

Wer ist verantwortlich? Die Medienschaffenden interpretierten die Wirrnis um das Finanzloch äusserst unterschiedlich: Während die einen die abgetauchte Departementschefin dafür verantwortlich machten, gaben andere dem kommunikativ unbeholfenen Armeechef die Schuld. Und radikalere Armeelobbyisten beschuldigten dafür das Parlament wegen der Fristerstreckung.

Klar ist: Die Budgetverantwortung tragen nicht die Armee und nicht die Armasuisse, sondern das Departement VBS! Und dies allenfalls in Zusammenarbeit mit dem EFD. Ich vermute, dass im Hintergrund zwei unausgesprochene Fehlannahmen zum Finanzdebakel geführt haben.

Erstens hat die vorschnelle Bestellung der F35-Tarnkappenbomber und des Boden-Luft-Systems «Patriot» mit Gesamtkosten von 8,3 Milliarden Franken so viel zukünftige Rüstungskosten gebunden, dass vor dem Russland-Ukraine-Krieg andere Beschaffungsverzögerungen in Kauf genommen wurden. Demgegenüber hat die Schweizer Armee immer noch keine Drohnen – das sind doch die Gamechanger im Ukraine- und Nahostkrieg. 

Zweitens verliess man sich im VBS selbstsicher auf die 2022 im Schnellschuss angenommene Motion, das Armeebudget bis 2030 auf 1 Prozent des BIP aufzustocken – was dann aber das Parlament mit der Gesamtfinanzplanung im Dezember bis 2035 erstreckte. 

Historisch hat die Schweiz in der Rüstungspolitik immer wieder Vertrauensschocks produziert. In den 1960er-Jahren erschütterte der Mirage-Skandal das Land. In den 1970ern erwies sich das Florida-Luftabwehrsystem als praktisch funktionsunfähig. In den 1980ern erboste die überteuerte Panzerbeschaffung mit Swiss Finish das Parlament. Und seither enervierten sich auch bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier über die unsäglich teuren Retrofit-Programme für Mowag-Panzerwagen und bei anderen Beschaffungsproblemen. 

In der Armasuisse (früher KTA) herrscht eine verhängnisvolle Kombination von höchster Geheimhaltung, mangelnder kriegstechnischer Erfahrung und einer Maulkorbkultur gegen armeeinterne Kritikerinnen und Kritiker. Fehlleistungen sind damit geradezu programmiert.

Eine Erweiterung der unabhängigen parlamentarischen Finanzkontrolle mit einer laufenden externen Begleitung der Rüstungsbeschaffung – und nicht erst in der Rückschau – könnte die Fehleranfälligkeit herabsetzen. Denn solche Rüstungsskandale zerstören in Bevölkerung und Politik mehr Vertrauen als veraltete Panzer.