Ein Blick in die Beschäftigungsstatistik zeigt, wie gut sich die Schweiz nach Corona entwickelt hat. Die Wirtschaft und die Beschäftigung sind stark gewachsen, die Arbeitslosigkeit ist tief. In Vollzeit umgerechnet ist die Erwerbstätigkeit seit 2019 um 300’000 Personen gestiegen. Diese Entwicklung ist erfreulich. Niemand hatte nach Corona eine so rasche Erholung erwartet.

Eine zweite Entwicklung ist positiv zu werten. Die Beschäftigung ist auch wieder in den privatwirtschaftlichen und der internationalen Konkurrenz ausgesetzten Branchen wie der Industrie, der Banken und Versicherungsbranche, im Gastgewerbe und in der Hotellerie sowie der IT- und Beratungsbranche gewachsen. Das war in den zehn Jahren vor Corona anders. Damals hatte die Beschäftigung in vielen privatwirtschaftlichen Branchen stagniert, und sie hatte vor allem in den staatsnahen Branchen zugenommen. Geholfen hat nach Corona eine auf Stabilität bedachte Geldpolitik. Es ist ihr gelungen, die Schweiz weitgehend von der europäischen Inflation abzukoppeln und trotzdem zu verhindern, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit sich im internationalen Vergleich verschlechtert hat.

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Gastautor Gaillard

Der Gastautor

Serge Gaillard ist Ökonom und ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung.

Weniger positiv ist zu werten, dass die Beschäftigung in den staatsnahen Branchen wie im Gesundheitswesen und in der Bildung ungebremst weitergewachsen ist. Seit 2019 entfällt noch immer 40 Prozent der Beschäftigungszunahme auf die öffentliche Verwaltung und die staatsnahen Branchen. Das ergibt einen Zuwachs von 120’000 Arbeitsplätzen in nur fünf Jahren. Besonders auffällig ist dabei die Zunahme im Gesundheitswesen. Hier hat die Zahl der vollzeitäquivalenten Beschäftigung in dieser Zeit um 50’000 zugenommen. Die Zahl ist rekordverdächtig. Die Zunahme könnte damit in diesem Jahrzehnt noch grösser ausfallen als im letzten.

Ist diese Entwicklung beunruhigend? Ja. Erstens nimmt die Arbeitsproduktivität in den staatsnahen Branchen wenig zu. Damit dämpft ein steigender Anteil der Beschäftigten in staatsnahen Branchen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Das tiefe Wachstum der Arbeitsproduktivität in der Schweiz kann zu einem wesentlichen Teil mit dem steigenden Anteil von Beschäftigten in diesen Branchen erklärt werden. Zweitens ist das rasche Wachstum der Arbeitsplätze im Gesundheitswesen auch Ausdruck einer übermässigen Angebotsausweitung. Und diese Angebotsausweitung verursacht zusammen mit der Alterung und dem kostentreibenden medizinisch-technischen Fortschritt den ständigen Anstieg der Krankenkassenprämien.

Bundesrätin Baume-Schneider will im Herbst runde Tische organisieren, um den Kostenanstieg im Gesundheitswesen zu dämpfen. Runde Tische werden nicht genügen. Gelingt es ihr aber, dieses Wachstum zu dämpfen, wird sie sich nicht nur als fähige Sozialministerin erweisen. Sie würde damit auch zu einer ausgewogenen Entwicklung der Wirtschaft beitragen.