Der Bundesrat schlägt vor, die Industriezölle aufzuheben. Der Schritt soll die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern. Und er sei Teil des Massnahmenpakets gegen die Hochpreisinsel Schweiz: Die Konsumenten sollen also ebenfalls profitieren.
Betroffene Industriegüter sind alle Waren ausser Agrargüter, Futter- und Lebensmittel. Sie machen wertmässig rund 95 Prozent aller Importe in die Schweiz aus. Konkret verschwinden Importzölle auf Produkte wie Autos, Velos, Körperpflegemittel, Haushaltsgeräte, Schuhe, Stoffe und Kleider. Um sicherzustellen, dass die Streichungen an die Konsumenten weitergegeben werden, will die Landesregierung ein Monitoring einführen.
Mit der Reform würde den Bund jährlich eine halbe Milliarde Franken an Einnahmen verlieren. Konkreter: 2018 summierten sich die Zölle auf Industriegüter auf 560 Millionen Franken (inkl. Automobil- und Mehrwertsteuer).
Der Entscheid überrascht
Die Idee war stark vom früheren Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann propagiert worden; dennoch ist der Entscheid nun auch überraschend: Finanzminister Ueli Maurer befand in den letzten Jahren stets, dem Bund fehlten die Mittel für solch eine Reform.
Laut den jetzt veröffentlichten Beschluss erwartet der Gesamtbundesrat aber insgesamt einen positiven Effekt. Für die Wirtschaft belaufe sich das Plus auf rund 860 Millionen Franken, so eine Studie, die Wirtschaftsminister Guy Parmelin heute vor den Medien zitierte. Dabei schlagen sich nicht nur die eingesparten Abgaben nieder, sondern auch die Bürokratie-Entlastung. Auf der eine anderen Seite kämen gewisse Schübe bei der Produktivität hinzu.
Parmelin: Druck gab es sowieso
Die Grundidee war bereits im Rahmen der Vernehmlassung zum Hochpreisinsel-Paket diskutiert worden. Dort stiess sie auf grossen Anklang, da die Zoll-Streichung vor allem für die Unternehmen viel Entlastung bieten würde. Gegner des Projekts hatten allerdings auch politische Bedenken: Ohne das Pfand der Industriezölle hätte die Schweiz in diversen zwischenstaatlichen Verhandlungen eine schwierigere Position.
«Man gibt mit der Abschaffung von Industriezöllen kein Verhandlungspfand für Freihandelsverträge aus der Hand», meinte Guy Parmelin nun allerdings dazu: «Der Druck auf die Abschaffung solcher Zölle besteht schon heute.»
- Mit 8,6 Prozent werden die höchsten Zölle derzeit auf Bekleidung aus dem Ausland gezahlt. Ingesamt könnte die Textil-, Bekleidungs- und Schuhbranche jährlich 225 Millionen Franken sparen.
- Beim Import von Autos, Motor- und Fahrrädern fallen 50 Millionen Franken weg, ebenso bei Maschinen und Elektro-Geräten.
- Die geringste Ersparnis hätte die Pharmaindustrie mit bisher 22 Millionen Franken an Importzöllen.
Der Wirtschaftsverband Economiesuisse (der sich von Beginn an für die Vorlage aussprach) rechnet auch mit tieferen Konsumentenpreisen: Wenn etwa 350 Millionen Franken gestrichen werden könnten, würde sich das Preisniveau über alle Waren hinweg um 0,1 Prozent verringern. Je nach Gütern wären um zwischen 0,1 und 2,6 Prozent tiefere Preise zu erwarten – sofern die Unternehmen die Kostenersparnisse auch wirklich an die Konsumenten weitergeben.
Die derzeitigen Importzölle variieren stark, besonders hoch sind sie auf Textilien, Bekleidung, Holz und Papier. Am wenigsten Preisauswirkungen hätte die Massnahme etwa bei Elektrogeräten, denn die Zölle sind mit 0,3 Prozent bereits heute sehr niedrig.
Am stärksten dürften demnach die Preise für Textilien, Bekleidung und Schuhe sinken. Heute fallen Zölle von durchschnittlich 3,6 Prozent an. Die Beratungsfirma Ecoplan hat berechnet, dass Schweizerinnen und Schweizer beim Kauf von Schuhen und Kleidern monatlich 7.50 Franken sparen würden.
(rap/mlo)