Am Montag eskalierte der Streit unter den Sozialpartnern. Im Auftrag von Bundesrat Alain Berset hätten sie eine Lösung zur Sanierung der Beruflichen Vorsorge (BVG) vorschlagen sollen. Dafür hatten sie 15 Monate Zeit und durften in der Dunkelkammer tagen.
Nichts drang nach aussen. Doch jetzt, am Tag der Publikation, ist es vorbei mit der Zurückhaltung. Nun fliegen die Fetzen. Aber nicht zwischen Links und Rechts. Nein, die beiden Arbeitgebervertreter sind verkracht.
Der Arbeitgeberverband (SAV) und der Gewerbeverband (SGV) ziehen in zwei unterschiedliche Richtungen. Bemerkenswert ist auch die Lagerbildung. Der SAV als Vertreter der Grossunternehmen paktiert mit den Gewerkschaften.
Verrat wittert der Gewerbeverband. Und hält sich nicht zurück. Der Hauptvorwurf: Der Arbeitgeberverband wie die Syndikalisten würden das per Verfassung dekretierte Dreisäulenprinzip in der Altersvorsorge verraten.
Reizwort «Rentenzuschlag»
Das Reizwort ist ein «Rentenzuschlag» in der Beruflichen Vorsorge (BVG). Jede Neurentnerin und Neurentner sollen 200 Franken pro Monat Rentenzuschlag zur BVG-Rente erhalten. Dies gilt für fünf Jahre nach Inkrafttreten der allfälligen Revision. Ab dem sechsten Jahr sind es noch 150 Franken pro Monat, ab dem elften Jahr 100 Franken - und ab dem sechzehnten Jahr nach Gusto des Bundesrates «anhand der vorhandenen Mittel».
So lautet die Formulierung. Der Zuschlag kostet Geld - und vor allem wird er unabhängig von der Lohnhöhe ausbezahlt. Mit anderen Worten: Der Rentenzuschlag ist eine schlecht getarnte AHV-Rente, die als «Übergangsrente» verkauft wird. Das Kapitaldeckungs-Prinzip der zweiten Säule, wonach jeder soviel an Rente kriegt, wie er einbezahlt hat, wird ausgehebelt.
«Halbierter Koordinationsabzug»
Das zweite Wort, das die Gewerbler auf die Palme treibt, ist der «halbierte Koordinationsabzug». Koordination heisst in diesem Fall, dass die erste und zweite Säule in der Schweiz aufeinander abgestimmt werden.
Heute wird bis zu einem versicherten Lohn von rund 21’000 Franken alleine die AHV fällig. Löhne über diesem Limite sind auch BVG-versichert und garantieren eine 2. Säule. Das heisst, dem Angestellten über der Freigrenze werden Lohnprozente zum Alterssparen abgezogen.
Der Arbeitgeberverband will nun zulassen, dass diese Limite halbiert wird. Mit anderen Worten: Neu wären auch Löhne zwischen 12'000 und 24'000 Franken doppelt versichert - via 1. und 2. Säule. Diese Überlappung sei unvereinbar mit dem Dreisäulenprinzip, so der Gewerbeverband.
3 Milliarden Franken zusätzlich
Der Vorschlag der Arbeitgeber und Gewerkschaften würde laut Gewerbeverband knapp 3 Milliarden Franken zusätzliche Lohnzuschläge kosten. Die ausbezahlten Löhne würden schrumpfen, der Konsum käme ins Stocken, so der Vorwurf von SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler. Der Vorschlag sei deshalb ein No-Go. Der Arbeitgeberverband bezeichnet die Mehrkosten «als insgesamt verhältnismässig». Das ist erstaunlich.
Pikanterweise bezeichnen die Arbeitgeber den Rentenzuschlag als «dauerhafte, zweckgebundene Umlagekomponente». Damit gibt er offen zu, dass das AHV-Prinzip in der 2. Säule Einzug erhält. Das aber widerspricht dem Konzept der Beruflichen Vorsorge.
Der Vorschlag der Arbeitgeber und Gewerkschaften ist ein hilfloser Versuch, ohne Erhöhungen des Rentenalters über die Runden zu kommen. Diese Kulissenschieberei ist keine Lösung. Längst in breiten Kreisen im Volk klar, dass wir länger leben, länger fit sind und der Rentenbezug nicht ewig dauern kann. Pensionsalter 67 für Mann wie Frau muss endlich aufs Tapet.