Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un will die vorsichtige Annäherung im Verhältnis zu den USA im neuen Jahr fortsetzen, stellt dafür aber Bedingungen. In seiner Neujahrsansprache verlangte er von Washington das Ende der US-Sanktionen gegen Südkorea.

Wenn die US-Regierung ihr «Versprechen an die Welt»  nicht erfülle und «die Sanktionen und den Druck» auf die Demokratische Volksrepublik Korea aufrecht erhalte, könnte Pjöngjang «gezwungen sein, einen anderen Weg zur Verteidigung der Souveränität unseres Landes und der obersten Interessen unseres Staates zu erkunden» , sagte Kim.

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Was unter dem «anderen Weg» zu verstehen sei, liess der Machthaber offen. Er sagte zugleich, dass er jederzeit bereit sei, sich erneut mit US-Präsident Donald Trump zu treffen. Ziel sei es, «ein Ergebnis hervorzubringen, das von der internationalen Gemeinschaft begrüsst wird», sagte er. Bei ihrem ersten Treffen hatten Trump und Kim eine «Denuklearisierung» vereinbart, der Vereinbarung folgten bislang allerdings keine konkreten Umsetzungsschritte.

Seoul: Ausdruck von Frustration

Südkoreas ehemaliger Vizevereinigungsminister Kim Hyung Seok wertete die Neujahrsrede als Ausdruck von Kims «Frustration über die mangelnden Fortschritte bei den bisherigen Verhandlungen». Der Machthaber habe erwartet, dass Washington einige - wenn auch noch so geringe Massnahmen ergreifen würde, nachdem der Norden ein atomares Testgelände aufgegeben habe.

Doch nichts dergleichen sei geschehen. Kim stehe vor der dringenden Aufgabe, die «sozialistische Wirtschaft» seines Landes zu verbessern - bei Beibehaltung der Sanktionen sei dies unmöglich.

Trump und Kim waren im Juni im Zuge ihrer Politik der Annäherung in Singapur zu einem historischen Gipfeltreffen zusammengekommen. Dabei willigte der nordkoreanische Machthaber in die «Denuklearisierung» seines Landes ein. Eine vollständige atomare Abrüstung ohne Gegenleistungen der US-Regierung lehnt Pjöngjang aber ab.

Nordkorea stellte vielmehr die Wiederaufnahme seines Atomprogramms in Aussicht, sollte Washington die Wirtschaftssanktionen nicht aufheben. Die USA beharren auf einer vollständigen nuklearen Abrüstung als Voraussetzung für die Aufhebung der Strafmassnahmen.

In seiner Neujahrsansprache 2018 hatte Kim die Massenproduktion von Atomsprengköpfen und Raketen angekündigt. In deutlichem Kontrast dazu sagte er nun ein Jahr später in seiner Rede, sein Land habe «verkündet, dass wir unser Nukleararsenal nicht mehr produzieren, testen, verwenden oder verbreiten würden». Die Supermacht USA rief er zu «entsprechenden Massnahmen» auf.

Zweiter möglicher Gipfel

Für Anfang 2019 ist ein zweiter möglicher Gipfel zwischen Kim und Trump anvisiert. Die bereits seit Monaten laufenden Vorbereitungen sind allerdings wiederholt ins Stocken geraten.

Pjöngjang hatte im April einen Stopp seiner Atomwaffen- und Raketentests angekündigt. Dies trug massgeblich zur vorsichtigen diplomatischen Annäherung zwischen Nordkorea und den USA im Konflikt um die koreanische Halbinsel bei.

Den Grossteil seiner Neujahrsrede widmete Kim der maroden Wirtschaft seines Landes. Die Verbesserung des Lebens der Nordkoreaner und die Energieknappheit hätten für ihn oberste Priorität.

Zudem forderte er die USA und Südkorea zum Verzicht auf weitere gemeinsame Militärmanöver auf. Diese seien eine «Quelle für Spannungen», sagte Kim. Allerdings waren die Manöver nach dem Gipfel von Singapur stark eingeschränkt worden. Die USA haben in Südkorea 28'500 Soldaten stationiert.

Während seiner Rede sass Kim, der einen dunklen Anzug zur blauen Krawatte trug, in einem grossen Ledersessel in einem grossen Raum voller Bücherregale und Gemälde seiner Vorgänger, Vater Kim Jong Il und Grossvater Kim Il Sung. Er las zum Teil von Zetteln ab.

(sda/tdr)